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Wozu wollen Sie das wissen?

Wozu wollen Sie das wissen?

Titel: Wozu wollen Sie das wissen?
Autoren: Alice Munro
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Vorwort
    Vor etwa zehn oder zwölf Jahren begann ich, mich mehr als nur beiläufig für die Vergangenheit eines Zweiges meiner Familie mit dem Namen Laidlaw zu interessieren. Es fanden sich viele Spuren von ihr – erstaunlich viele, wenn man bedenkt, dass sie unbedeutend und keineswegs wohlhabend war und dazu im Ettrick Valley lebte, das von der Statistischen Erhebung Schottlands ( 1799 ) als
ohne Vorzüge
beschrieben wird. Ich habe einmal einige Monate in Schottland verbracht, nicht weit vom Ettrick Valley, und so war ich in der Lage, ihre Namen in den Heimatchroniken der Stadtbüchereien von Selkirk und Galashiels aufzutreiben und herauszufinden, was James Hogg im
Blackwoods Magazine
über sie zu sagen hatte. Hoggs Mutter war eine Laidlaw, und er brachte Walter Scott zu ihr, als Scott Balladen für seine Sammlung
The Minstrelsy of the Scottish Border
suchte. (Sie sagte ihm mehrere her, war aber später ganz und gar nicht damit einverstanden, dass sie in einem Buch erschienen.) Und ich hatte Glück, denn jede Generation unserer Familie hatte offenbar jemanden hervorgebracht, der dazu neigte, lange, offenherzige, manchmal drastische Briefe und ausführliche Erinnerungen zu schreiben. Schottland war schließlich das Land, in dem John Knox durchsetzte, dass jedes Kind, und sei es in einer Dorfschule, Lesen und Schreiben lernte, damit ein jedes die Bibel lesen konnte.
    Dabei beließ ich es nicht.
    Ich fügte über die Jahre hin all dieses Material zusammen, und, nahezu ohne dass ich merkte, was geschah, fing es an, von sich aus hier und da so etwas wie Geschichten zu bilden. Einige der Personen überließen mir ihre eigenen Worte, andere entstanden aus ihren Lebenslagen. Ihre Worte und meine Worte, eine seltsame Neuerschaffung persönlichen Lebens in vorgegebenen Umständen, so wahrheitsgemäß geschildert, wie es unsere Vorstellung von der Vergangenheit irgend zulässt.
    Während dieser Jahre schrieb ich auch eine Reihe besonderer Geschichten. Sie gelangten nie in die Bände mit Erzählungen, die ich in regelmäßigen Abständen zusammenstellte. Warum nicht? Weil sie für mein Gefühl nicht hineingehörten. Sie waren nicht biographischer Natur, aber näher an meinem eigenen Leben als die übrigen Erzählungen, auch die in der Ichform geschriebenen. Es gab Ichform-Geschichten, in denen ich auf persönliches Material zurückgegriffen, dann aber damit getan hatte, was ich wollte. Denn meine Arbeit bestand in erster Linie daraus, eine Erzählung zu gestalten. In den Geschichten, die ich nicht in die Sammelbände aufgenommen hatte, tat ich nicht genau das. Sondern etwas, näher an dem, was eine Biographie tut – ein Leben erkunden, mein eigenes Leben, aber nicht in nüchterner, sich streng an die Tatsachen haltender Manier. Ich stellte mich selbst in den Mittelpunkt und schrieb über dieses Ich, so wahrheitsgetreu, wie ich konnte. Aber die Personen um dieses Ich herum nahmen ihr eigenes Leben, ihre eigene Gestalt an und taten Dinge, die sie in Wirklichkeit nicht getan hatten. Sie traten der Heilsarmee bei, sie gaben preis, dass sie einmal in Chicago gelebt hatten. Eine von ihnen landete auf dem elektrischen Stuhl, und eine andere feuerte in einem Stall voller Pferde ein Gewehr ab. Einige dieser Personen haben sich sogar so weit von ihren Anfängen entfernt, dass ich nicht mehr weiß, wer sie ursprünglich waren.
    Dies sind
Erzählungen
.
    Man könnte sagen, dass diese Erzählungen sich enger an die Wahrheit eines Lebens halten, als Belletristik es gemeinhin tut. Aber nicht genug, um einen Eid darauf zu schwören. Und der Teil dieses Buches, der Familiengeschichte genannt werden könnte, hat sich zu Belletristik ausgeweitet, wenn auch immer innerhalb der Grenzen eines wahrheitsgetreuen Berichts. Mit diesen Entwicklungen kamen diese beiden Ströme einander so nahe, dass es mir schien, als sei ihnen bestimmt, in einem Flussbett zu fließen, wie sie es in diesem Buch tun.

Ohne Vorzüge
    Dieses Kirchspiel ist ohne Vorzüge. Auf den Bergen ist der Boden an vielen Stellen mit Moos bewachsen und zu nichts nutze. Die Luft ist im Allgemeinen feucht. Das wird von der Höhe der Berge verursacht, die unaufhörlich die Wolken anziehen, sowie von dem Dunst, der unaufhörlich aus den Moospolstern aufsteigt … Der nächste Marktflecken ist fünfzehn Meilen weit fort, und die Straßen sind so morastig, dass kaum ein Fortkommen ist. Der Schnee bildet zuzeiten auch eine große Beschwernis, oft haben wir viele Monate lang keinerlei
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