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Wozu wollen Sie das wissen?

Wozu wollen Sie das wissen?

Titel: Wozu wollen Sie das wissen?
Autoren: Alice Munro
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entweder gemietet, oder es war Teil seiner Entlohnung als Schäfer. Es ging ihm nie um weltlichen Reichtum.
    Nur um Ruhm.
     
    Er wurde nicht in diesem Tal geboren, obwohl es dort bereits Laidlaws gab und seit den ersten Aufzeichnungen gegeben hatte. Die früheste Nennung dieses Namens fand ich in Prozessakten aus dem dreizehnten Jahrhundert, einem Laidlaw wurde vorgeworfen, einen anderen Laidlaw erschlagen zu haben. Gefängnisse gab es zu jener Zeit nicht. Nur Burgverliese, hauptsächlich für die Oberschicht oder Männer von einiger politischer Bedeutung, die sich mit ihren Herrschern überworfen hatten, und Hinrichtungen im Schnellverfahren – doch die kamen vor allem in Zeiten großer Unruhen vor, wie zum Beispiel während der Grenzüberfälle im sechzehnten Jahrhundert, da konnte es einem Räuber passieren, dass er vor seiner eigenen Haustür erhängt oder auf dem Marktplatz von Selkirk aufgeknüpft wurde, wie es sechzehn Viehdieben, die alle den Namen Elliott trugen, innerhalb nur eines Tages widerfuhr. Mein Laidlaw kam mit einer Geldstrafe davon.
    Will galt als »einer der alten Laidlaws von Craik« – über die ich rein gar nichts in Erfahrung bringen konnte, nur dass Craik ein fast verschwundenes Dorf an einer völlig verschwundenen römischen Straße ist, in einem nahe gelegenen Tal südlich von Ettrick. Er muss über die Berge gelaufen sein, ein junger Bursche auf der Suche nach Arbeit. Er wurde 1695 geboren, als Schottland noch ein eigenes Königreich war, auch wenn es sich den Monarch mit England teilte. Als die umstrittene Union der beiden Länder zustande kam, war er gerade zwölf Jahre alt, zur Zeit des bitter fehlgeschlagenen Jakobitenaufstandes von 1715 ein junger Mann und ein Mann in vorgerückten Jahren, als 1746 die Schlacht bei Culloden geschlagen wurde. Es lässt sich nicht sagen, was er von diesen Ereignissen hielt. Ich habe so ein Gefühl, dass sein Leben in einer Welt stattfand, die immer noch abgeschieden und in sich geschlossen war, mit ihrer eigenen Sagenwelt und ihren eigenen Wundern. Und er war eins davon.
     
    Die erste Geschichte, die man sich von Will erzählt, handelt davon, wie ungeheuer schnell er laufen konnte. Seine erste Anstellung im Ettrick Valley fand er als Schäfer bei einem Mr Anderson, und dem fiel auf, wenn Will ein Schaf fangen wollte, lief er ihm einfach hinterher, statt ihm irgendwie den Weg abzuschneiden. Also wusste er, dass Will ein schneller Läufer war, und als ein preisgekrönter englischer Läufer ins Tal kam, schloss Mr Anderson eine hohe Wette gegen ihn ab und setzte auf Will. Der Engländer spuckte große Töne, ebenso alle, die auf ihn gesetzt hatten, und Will gewann. Mr Anderson strich ein hübsches Häufchen Münzen ein, und Will seinerseits erhielt einen grauen Tuchmantel und eine Bundhose.
    Soll mir recht sein, sagte er, denn der Mantel und die Bundhose bedeuteten ihm ebenso viel wie einem Mann vom Schlage Mr Andersons all das Geld.
    Hier haben wir eine klassische Geschichte. Ich hörte Abarten davon – mit anderen Namen, anderen Großtaten – in meiner Kindheit, als ich im Huron County in Ontario aufwuchs. Ein ruhmbedeckter Fremder trifft ein, prahlt mit seinen Fähigkeiten und wird von einem begabten Ortsansässigen geschlagen, einem Burschen von schlichtem Gemüt, dem es überhaupt nicht um die Belohnung zu tun ist.
    Diese Bestandteile finden sich in einer anderen frühen Geschichte wieder, in der Will über die Berge auf einem Botengang in die Stadt Moffat läuft, ohne zu merken, dass es ein schöner Tag ist, und dazu überredet wird, an einem öffentlichen Wettlauf teilzunehmen. Er ist für den Anlass nicht passend angezogen, und während des Rennens rutscht ihm seine bäurische Bundhose herunter. Er lässt sie fallen, befreit sich daraus, läuft mit nichts als einem Hemd am Leib weiter und gewinnt. Es wird viel Aufhebens von ihm gemacht, und er wird ins Gasthaus eingeladen, um mit vornehmen Damen und Herren zu Abend zu essen. Da muss er seine Hose wieder angehabt haben, aber trotzdem wird er rot und will die Einladung nicht annehmen, denn angeblich schämt er sich vor solch feinen Damen.
    Vielleicht hat er sich wirklich geschämt, aber natürlich liefern die »feinen Damen« mit ihrer unziemlichen Begeisterung für den gut ausgestatteten jungen Athleten die eigentliche Pointe der Geschichte.
    Will heiratet irgendwann, er heiratet eine Frau namens Bessie Scott, und sie gründen eine Familie. In dieser Phase verwandelt sich der jugendliche
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