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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
Autoren: Jana Seidel
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J eder vernünftige Mensch weiß, dass Klischees nur deswegen zu Klischees werden konnten, weil es einem schon beinahe unheimlich vorkommt, dass sie so dermaßen zutreffend sind. Und es hat mich deswegen auch nur einen halben Tag gekostet, ein halbes Dutzend Beweise dafür zu sammeln:
    1. Die Iren sind ein heiteres Volk, das gerne singt; immer und überall.
    Schon im Flieger nach Dublin umringte mich ein angeheitertes Damengrüppchen, das schmissige Balladen vortrug. Ich habe kein Wort davon verstanden – keine Ahnung, ob es sich um alkoholisiertes Englisch oder Gälisch gehandelt hat. Auf jeden Fall konnte ich nur die Augen schließen und so tun, als ob ich schlafe – dabei hätte ich so gerne etwas Gutes gelesen, um mich von meinem Elend abzulenken. Zum Beispiel das Buch »Die vier Phasen des Liebeskummers«, das Juli mir aus gegebenem Anlass geschenkt hat.
    2. Männer stehen auf ihre Sekretärinnen.
    Ein Duo wie Sherlock Holmes und der Koks – ohne Sekretärin funktionieren die Typen einfach nicht. Zuhause nimmt die Frau ihnen die Alltagsaufgaben ab, im Büro betätigt die Sekretärin für sie das Telefon. Und im idealen Fall bekommen sie auch noch von beiden Sex. Ich kann es immer noch nicht fassen. Ich wurde tatsächlich
für die Sekretärin verlassen – mit gerade mal 32 Jahren! Es gibt nur eine klitzekleine Abweichung von der üblichen Geschichte: Das Luder ist nicht jünger, sondern 15 Jahre älter als ich, außerdem fünf Jahre älter als Martin und gefühlte 20 Kilo schwerer als wir beide zusammen. Auch wenn sich das Drama in so nüchternen Zahlen zusammenfassen lässt, ist doch wohl ziemlich offensichtlich, dass die Geschichte dahinter brutal und widerlich ist. Und hätte ich die beiden nicht auf frischer Tat ertappt, würde ich immer noch denken, ich hätte meinen Traummann gefunden. Der Mistkerl war ja sogar zu feige, zu seiner wahren Vorliebe zu stehen. Dachte wohl, dass passe nicht zu seinen schicken Anzügen und seiner Design-Eigentumswohnung. Wenigstens habe ich ihn verlassen! Ha! Aber was für eine Wahl hatte ich denn, wenn ich nicht jede Selbstachtung verlieren wollte? Oh, ich glaube, ich bin nach über einem Monat endlich in Phase drei angekommen: Zorn! Sehr gut, dann habe ich es fast hinter mir. Das sind auch nur Wuttränen auf meinen Wangen. Wirklich!
    3. Frauen treffen nach Trennungen radikale Entscheidungen.
    Sie färben sich ihre Haare platinblond – oder, wenn ihre Haare schon blond sind (wie meine), packen sie ihre Sachen und suchen das Weite. Und sitzen dann plötzlich in einem Taxi mitten in der irischen Pampa.
    4. Männer flüchten gerne vor Problemen.
    Dass ich überhaupt hier in einem Taxi auf einer irischen Weide sitze, ist eigentlich die Schuld meines Vaters. Mein Erzeuger und derzeitiger Schicksalsgenosse wurde von seiner Frau – ja, genau, meiner Mutter,
aber das würde ich vorerst gerne vergessen – für einen anderen Mann verlassen. Betrachtet man unser beider Schicksal genauer, könnten wir stellvertretend für eine Welt im Umbruch stehen, vielleicht wird nach uns sogar ein Phänomen benannt, das der Nachwelt als kulturhistorisch wichtigstes Kennzeichen unserer Zeit erscheinen wird: Die älteren, warmherzigen Gutverdiener werden von ihren Frauen für brotlose Jungs verlassen, die noch selbst den Töchtern dieser Frauen wie unreife Teenager erscheinen. Und die knackigen jungen Blondinen mit Grips werden mit älteren Damen mit viel zu langen roten Fingernägeln betrogen. Anything goes! Nun, mein Vater hat dann aber den Slogan, man solle die Krise als Chance begreifen, vorbildlich umgesetzt: Er hat ratzfatz seine Arztpraxis in Deutschland aufgegeben, um ein Cottage in Irland zu kaufen und in Zukunft dort zu praktizieren. »Ein alter Lebenstraum«, hat er ganz dreist behauptet, obwohl ich mir sicher bin, dass er den noch nie zuvor erwähnt hatte. Das Haus, das er fand, wurde für einen Spottpreis verscherbelt. Und er bekam den Zuschlag, weil er die einzige Kaufbedingung erfüllte: Der Zuziehende sollte Arzt sein. Wenn ich es richtig verstanden habe, sind die Einwohner wohl hoffnungslos überaltert und brauchen dringend jemanden, der sich um Gicht, Rheuma und Herzbeschwerden kümmert. Ich bin also in ein todgeweihtes Dorf gereist. Aber ich will ja auch meine Ruhe haben. Totenstille quasi.
    5. /6. Fallen mir gerade nicht ein. Aber ich werde darüber nachdenken.

    »Wollen Sie nun aussteigen oder soll ich Sie vielleicht irgendwo anders hinfahren?« Der Taxifahrer räuspert sich
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