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Spiel ums Glueck

Titel: Spiel ums Glueck
Autoren: Miranda Jarrett
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1. Kapitel
    Woodbury, Sussex, 1806
    Cassia Penny presste den Rücken gegen das lederne Stuhlpolster und zerknüllte das tränenfeuchte Taschentuch in ihrer Hand. Die Säume ihres aus billigem schwarzem Bombasin gefertigten hochgeschlossenen Trauerkleides schnitten ihr an Kehle und Handgelenken unangenehm in die Haut. An einem warmen Frühlingstag wie heute hätte das Kleid nicht unangemessener sein können; es war viel zu eng und warm, und Cassia spürte, wie ihr die Schweißperlen an Brust und Armen hinabrannen. Obgleich ihre Augen vom vielen Weinen bereits stark gerötet waren, wahrte sie eine vorbildliche Haltung und folgte den Ausführungen des Anwalts wie ihre zwei Schwestern erhobenen Kopfes.
    Sie zählte erst zwanzig Jahre, doch glaubte Cassia, mit dem Tod des Vaters sei auch ein Teil von ihr gestorben. Nichts würde so sein wie früher, weder für sie noch für ihre Schwestern Amariah und Bethany, die neben ihr saßen.
    Der Anwalt Mr Grosse hatte hinter dem Schreibtisch ihres Vaters Platz genommen und schob mit einem Finger die aufeinanderliegenden losen Blätter, auf denen Reverend Mr Penny seinen Letzten Willen vermerkt hatte, zu einem ordentlichen Stapel zusammen.
    „Ich bedaure sehr, Ihnen sagen zu müssen, dass Ihnen ab jetzt ein anderes Leben bevorsteht, meine Damen. “ Er seufz-
    te tief. „Das dürfte Sie nicht wirklich überraschen, bedenkt man, welchem Beruf Ihr Vater sich verpflichtet fühlte.“
    „Wir wissen, dass er nur ein einfacher Vikar auf dem Lande war, Mr Grosse“, gab Amariah, Cassias älteste Schwester, spitz zurück, wie sie es immer tat, wenn man sie reizte. „Dennoch betrachten wir sein Vermächtnis mit Demut und Respekt, und wir sind sicher, dass er im Himmel für sein Wirken auf Erden belohnt wird.“
    Unbeeindruckt blickte der Notar über den Brillenrand hinweg zu der jungen Frau hinüber. „Leider lassen sich Banken von guten Taten nicht milde stimmen. Ihr Vater war zu freigiebig, um Rücklagen ansammeln zu können. “
    „Vater war ein freundlicher, guter und feiner Gentleman, Mr Grosse“, protestierte Cassia und erhob sich brüsk. „Und ich - wir werden es nicht dulden, dass Sie schlecht über ihn reden!“
    Rasch ergriff Bethany den Arm der jüngsten Schwester, um sie zu beruhigen und sie sanft dazu zu bringen, sich wieder zu setzen. „Mr Grosse sagt lediglich die Wahrheit, Cassia. Weltliche Güter zu erwerben war nicht Vaters Sache, und deswegen haben wir nie erwartet, dass er uns ein Anwesen hinterlässt, auf dem wir leben können. “
    „Aber wir haben ebenso wenig damit gerechnet, dass er so früh von uns geht.“ Cassia sank wieder auf den Stuhl und konnte sich nur mit Mühe daran hindern, wieder in Tränen auszubrechen. Der Vikar war gerade einmal fünfundvierzig Jahre alt geworden; wer hätte gedacht, dass ein solch großzügiges Herz so plötzlich zu schlagen aufhören würde, und dies, als er gerade damit beschäftigt gewesen war, im Kräutergarten das erste Unkraut zu jäten?
    „Deshalb haben wir bereits damit begonnen, Zukunftspläne zu schmieden, Cassia.“ Amariahs Lächeln war traurig, indes barg es auch eine Zuversicht, die Cassia nicht teilen konnte. „Vater hat uns immer zugetraut, dass wir unseren eigenen Weg im Leben finden werden, und genau so wird es kommen. “
    „Sie werden jedenfalls nicht in diesem Cottage bleiben können, Miss Amariah.“ Grosse seufzte wieder. „Sir Cleveland hat mich bereits in Kenntnis gesetzt, dass der neue Vikar in Kürze eintreffen wird und hier wohnen möchte. Sir Cleveland bedauert zwar, dass Sie so rasch ausziehen müssen, aber er ...“
    „Er sagt, dass er zutiefst um das Seelenheil der Gemeinde besorgt ist“, unterbrach Cassia den Anwalt und schluckte die Tränen hinunter. „Und er ist zutiefst um seinen Neffen besorgt, der schon immer den Wunsch hegte, Vaters Platz einzunehmen - dieser raffgierige Kerl.“
    „Cassia“, mahnte Amariah die jüngste Schwester. „Um Vaters Andenken in Ehren zu halten, sollten wir solche hitzigen Reden vermeiden. “
    Hastig heftete Cassia den Blick auf ihre Hände im Schoß, denn sie wusste natürlich, dass Amariah recht hatte. Es machte nichts, dass sie dieses romantisch umwucherte Cottage mit seinem Rosengarten und dem Ententeich - ihr einziges Heim - für immer verlassen mussten. Sie würde stark sein und tapfer wie ihre Schwestern und nach vorne blicken - obgleich sie nicht wusste, wie es weitergehen sollte.
    Mr Grosse ließ den Blick durch die Bibliothek schweifen und
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