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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht
Autoren: Ally Condie
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Eindrücke. Doch wenn man den Geliebten in Einzelheiten wahrnimmt und diese hinterfragt –
warum geht er so, warum blinzelt er so?
 –, kann man auch diese Teile lieben, und die Liebe wird komplizierter und vollkommener zugleich.
    Das andere Boot kommt immer näher, und ich sehe, dass die Besatzung wasserfeste Anzüge trägt. Um sich vor Nässe zu schützen oder weil sie weiß, dass der Fluss vergiftet ist? Ich schlage die Arme um mich und fühle mich plötzlich kontaminiert, obwohl weder das Fleisch von unseren Knochen geätzt wurde noch wir der Versuchung nachgegeben haben, das Wasser hinunterzuschlucken.
    »Heb die Hände hoch«, rät Indie. »Damit sie sehen können, dass wir nichts festhalten.« Sie legt das Paddel quer über ihren Schoß und reckt die Arme in die Luft. Die Geste lässt sie so verletzlich wirken und ist so untypisch für sie, dass ich einen Moment brauche, bis ich ihrem Beispiel folge.
    Sie wartet nicht darauf, dass man uns anspricht. »Wir sind Flüchtlinge!«, ruft sie. »Wir wollen uns euch anschließen!«
    Das Boot kommt immer näher. Ich schaue mir die Leute an, mustere ihre glatte, schwarze Kleidung und zähle sie; sie sind zu neunt. Wir nur zu zweit. Bemerken sie unsere Gesellschafts-Mäntel, unser geschundenes Boot, unsere leeren Hände?
    »Wem wollt ihr euch anschließen?«, fragt einer.
    Indie zögert nicht. »Der Erhebung«, erklärt sie.

Kapitel 51 KY

    Ich laufe. Schlafe. Esse ein wenig. Trinke aus einer der Wasserflaschen. Wenn sie leer ist, werfe ich sie weg. Es hat keinen Sinn, sie mit vergiftetem Wasser zu füllen.
    Wieder laufe ich. Weiter und weiter am Flussufer entlang, im Schutz der Bäume, wo immer es möglich ist.
    Ich laufe für sie. Für die anderen. Für mich.
    Die Sonne scheint auf den Fluss. Der Regen hat aufgehört, aber die Stauseen sind wieder untereinander verbunden.
     
    Eines Sommers, als mehr Regen gefallen war als normalerweise und sich eines der Löcher in der Erde mit Wasser gefüllt hatte, brachte mir mein Vater das Schwimmen bei. Er zeigte mir, wie man die Luft anhält, wie man sich treiben lässt und wie ich die Augen im blaugrünen Wasser öffnen konnte.
    Das Schwimmbad in Oria war etwas ganz anderes. Es bestand aus weißem Beton statt aus rotem Gestein. An den meisten Stellen konnte man bis auf den Grund sehen, wenn einen das einfallende Sonnenlicht nicht blendete. Das Becken bildete ein sauberes Rechteck. Kinder und Jugendliche sprangen vom Sprungbrett. Es schien, als sei an diesem Tag die ganze Siedlung zum Schwimmen gekommen, aber es war die am Beckenrand sitzende Cassia, die meine Aufmerksamkeit weckte.
    Es lag an der Art, wie sie dasaß, vollkommen reglos. Fast schwebte sie, während alle anderen riefen, schrien und umherrannten. Für einen Moment – zum ersten Mal, seit ich in die Gesellschaft gekommen war – fühlte ich mich klar. Ausgeruht. Als ich sie dort sah, fühlte sich etwas in mir wieder heil an.
    Dann stand sie auf, und ich sah es ihrem angespannten Rücken an, dass sie sich Sorgen machte. Sie starrte auf eine Stelle im Becken, an der ein Junge tief unter Wasser schwamm. Ich eilte so schnell ich konnte zu ihr hinüber und fragte: »Ertrinkt er?«
    »Ich weiß nicht!«, sagte sie.
    Und so bin ich getaucht, um Xander zu helfen.
    Die Chemikalien im Wasser brannten in meinen Augen, und ich musste sie für einen Moment schließen. Durch die Schmerzen und die Art, wie durch das Licht, das durch meine Augenlider schien, alles rot aussah, glaubte ich zuerst, ich würde bluten und erblinden. Ich betastete meine Augen, fühlte aber nur Wasser, kein Blut. Meine Panik war mir peinlich. Ich kämpfte gegen die Schmerzen an, nahm die Hände weg, öffnete die Augen und sah mich um.
    Ich sah Beine, Körper und schwimmende Leute und suchte nicht mehr nach einem Ertrinkenden. Alles, was ich denken konnte, war …
    … da ist nichts.
    Ich wusste, dass das Schwimmbecken sauber und gepflegt war, aber es von unten zu sehen war sehr seltsam. Sogar in den Pfützen, die nur für eine Weile gefüllt waren, regte sich Leben. Moos wuchs. Wasserkäfer flitzten in der Sonne über die Oberfläche, bis die Pfützen austrockneten. Doch auf dem Boden dieses Beckens gab es nur nackten Beton.
    Ich vergaß, wo ich war, und versuchte, Luft zu holen.
    Als ich halb erstickt auftauchte, sah ich, dass sie meine Andersartigkeit erkannte. Ihr Blick ruhte auf der Narbe in meinem Gesicht, die ich aus den Äußeren Provinzen davongetragen hatte. Doch es war, als sei sie ein
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