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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht
Autoren: Ally Condie
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wenig so wie ich. Sie registrierte die Unterschiede und beschloss dann, welche wichtig waren und welche nicht. Damals lachte sie mit mir, und ich liebte es, wie sich dabei Fältchen um ihre grünen Augen bildeten.
    Ich war noch ein Kind. Ich wusste, ich liebte sie, aber ich wusste nicht, was das bedeutete. Mit den Jahren veränderte sich alles. Sie. Ich.

    Ich verstecke die Reagenzgläser und die Papiere an zwei verschiedenen Stellen. Man kann unmöglich feststellen, ob der Inhalt der Reagenzgläser außerhalb der Behälter in der Kaverne überdauert, aber Eli und Cassia haben sie mir anvertraut. Ich lege die Röhrchen hoch oben in die knorrige Astgabelung einer alten Pappel, damit sie auch dann geschützt sind, wenn der Fluss über die Ufer tritt.
    Da die Papiere nicht sehr lange verborgen bleiben müssen, vergrabe ich sie flach in der Erde und markiere die Stelle mit einem Stein. Ich graviere ein Muster ein, das mir gut gefällt. Es könnten Meereswogen sein, Strömungen in einem Fluss oder Wellen im Sand.
    Fischschuppen.
    Ich schließe für einen Moment die Augen und erlaube mir, an die Menschen zu denken, die nicht mehr da sind.
    Regenbogen schimmerten im Fluss. Goldenes Gras wucherte am Ufer, an dem Vick entlanggerannt ist, während er an das Mädchen dachte, das er liebte. Seine Stiefel hinterließen Abdrücke ohne Kerben in der Erde.
    Die Sonne sank über einem Land, das meine Mutter wunderschön fand. Neben ihr malte ihr Sohn mit den Händen, die er zuvor in Wasser getaucht hatte. Ihr Mann küsste sie auf den Hals.
    Mein Vater kam aus einem Canyon. Bei seinem Aufenthalt dort hatte er gesehen, wie Menschen ihre eigenen Feldfrüchte anbauten und ernteten. Sie konnten schreiben. Das alles wollte er den Menschen nahebringen, die ihm etwas bedeuteten.
    Der See ist nur noch ein paar hundert Meter entfernt. Ich verlasse den Schutz der Bäume.

Kapitel 52 CASSIA

    Nachdem ich in den Canyons so viele Tote gesehen habe, nach dem Anblick der vielen stillen Reagenzgläser in der Höhle lässt die lebendige Szenerie im Lager vor mir mein Herz höher schlagen. All diese Leute, so emsig, so tatkräftig. In den Canyons kam es mir fast so vor, als seien wir die letzten Menschen auf der Welt. Als die Besatzung des anderen Bootes unseres ans Ufer schleppt, werfe ich Indie einen Seitenblick zu, und auch sie lächelt. Unsere Haare flattern im Wind, unsere Paddel liegen quer auf unserem Schoß.
Wir haben es geschafft
, denke ich.
Endlich!
    »Zwei Neue!«, ruft einer der Männer in dem Boot vor uns, und trotz meines Glücks darüber, dass wir die Erhebung gefunden haben, wünschte ich, er hätte
drei
rufen können. Bald, sage ich mir. Bald wird Ky hier sein.
    Unser Boot schrammt am Ufer entlang, und mir wird bewusst, dass es nicht mehr länger unser Boot ist, sondern von jetzt an der Erhebung gehört. »Ihr habt uns gerade noch rechtzeitig erreicht«, sagt einer der Männer, die uns hineingeschleppt haben, streckt seine behandschuhte Rechte aus und hilft uns. »Wir werden bald weiterziehen. Hier ist es nicht mehr sicher. Die Gesellschaft kennt unseren Aufenthaltsort.«
    Ky! Ob er es noch rechtzeitig schafft? »Wann?«, frage ich.
    »Sobald wie möglich«, antwortet der Mann. »Kommt mit mir.« Er führt uns zu einem kleinen Blockhaus am Wasser. Die Metalltür ist geschlossen, aber auf sein lautes Klopfen hin wird sofort geöffnet.
    »Wir haben zwei auf dem See gefunden«, verkündet er, und die drei Leute im Inneren des Gebäudes stehen auf. Ihre alten Gesellschafts-Metallstühle schaben über den Boden, als sie sich von einem Tisch voller Karten und Miniterminals erheben. Sie tragen grüne Zivilkleidung, und ihre Gesichter sind verhüllt, aber ich kann die Augen erkennen.
    »Dann lasst sie uns einteilen«, sagt eine Wächterin und fragt uns: »Ihr seid den Fluss hinuntergekommen?«
    Wir nicken.
    »Dann müsst ihr dekontaminiert werden«, fährt sie fort. »Bringt sie erst zum Reinigen.« Dann lächelt sie uns an. »Willkommen bei der Erhebung.«
    Als wir das winzige Gebäude verlassen, beobachten uns die drei Wächter. Zwei haben braune Augen, einer blaue. Eine Frau, zwei Männer. Alle mit Müdigkeitsfalten um die Augen. Weil sie zu lange gearbeitet haben? Weil sie sowohl in der Gesellschaft als auch in der Erhebung ihre Aufgaben erfüllen müssen?
    Sie werden mich einteilen und sortieren, aber ich kann dasselbe mit ihnen tun.

    Nachdem wir uns gewaschen haben, betupft eine junge Frau unsere Arme und überprüft, ob wir
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