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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht
Autoren: Ally Condie
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sagt sie. »Dabei dachte ich schon, ich wäre dich endlich los.« Sie fängt an zu lachen, und ich stimme mit ein. Beide lachen wir, bis wir auf die nächste Flusswelle treffen und Indie wild und triumphierend aufschreit. Ich mache es ihr nach.
     
    »Jetzt wird es erst richtig gefährlich«, bemerkt Indie, als die Sonne aufgeht, und ich weiß, dass sie recht hat. Die Strömung ist immer noch reißend. Wir können zwar besser sehen, aber wir können auch gesehen werden, und wir sind erschöpft. Die dicken Pappeln am Ufer sind von schmaleren, weniger schützenden, dornigen Bäumen mit dünnen, graugrünen Ästen verdrängt worden. »Wir müssen möglichst in der Nähe der Bäume bleiben, damit sie uns Deckung geben«, sagt Indie, »aber zu nahe dürfen wir den Dornen nicht kommen, sonst zerstören sie das Boot.«
    Wir passieren eine gewaltige abgestorbene Pappel mit schuppiger, bräunlicher Rinde, die umgefallen ist, müde und erschöpft nach Jahren des Festklammerns am Ufer.
Ich hoffe, dass Hunter und Eli es in die Berge geschafft haben
, denke ich,
und dass Ky unter den Bäumen Deckung findet
.
    Dann hören wir es. Ein Dröhnen über uns.
    Ohne ein Wort zu sagen, paddeln wir näher ans Ufer. Indie versucht, mit dem Paddel im dornigen Gestrüpp Halt zu finden, aber sie rutscht weg. Wir treiben ab, und ich tauche mein Paddel tief ein und stoße uns zurück.
    Das Flugschiff über uns nähert sich.
    Indie greift mit der bloßen Hand in die Dornenzweige. Ich halte die Luft an. Sie hält fest, während ich hinausspringe und das Boot ans Ufer ziehe, wobei ich die Dornen über das Plastik schaben höre.
Bitte, geh nicht kaputt!
, denke ich. Indie lässt los, mit blutender Hand, und wir halten beide die Luft an.
    Sie fliegen über uns hinweg und verschwinden. Sie haben uns nicht gesehen.
    »Jetzt hätte ich gern eine grüne Tablette«, bemerkt Indie, und ich lache erleichtert auf. Doch die Tabletten sind fort, zusammen mit allem anderen, was wir besaßen. Die Rucksäcke wurden weggespült, als wir umgekippt sind. Indie hatte sie zwar an einen der Bootsgriffe gebunden, aber trotz ihrer kunstvollen Knoten wurden sie vom Wasser weggerissen. Ein Ast oder ein Baum hat das Seil durchtrennt, und ich sollte froh sein, dass es nicht uns oder das Boot erwischt hat.
    Nachdem wir wieder eingestiegen sind, halten wir uns dicht am Ufer. Die Sonne steigt immer höher. Kein Flugschiff weit und breit.
    Ich denke an meinen zweiten verlorenen Kompass, der auf den Grund des Flusses gesunken ist, wie der Stein, der er gewesen war, bevor Ky ihn verwandelte.

    Es ist Abend geworden. Das Schilf am Ufer flüstert, während ich in der Brise schweige. In der Abendröte nach dem Sonnenuntergang erkenne ich am hohen, herrlichen Himmel den ersten nächtlichen Stern.
    Dann sehe ich auch sein Spiegelbild auf der Wasseroberfläche, die sich dunkel vor uns erstreckt.
    »Das«, stellt Indie fest, »ist nicht das Meer.«
    Der Stern flackert und erlischt. Irgendetwas hat sich über ihn hinwegbewegt, entweder am Himmel oder auf dem Wasser.
    »Aber es ist riesig«, wende ich ein. »Was könnte es denn sonst sein?«
    »Ein See«, antwortet Indie.
    Ein seltsames Brummen hallt über das Wasser.
    Es ist ein Boot, das schnell auf uns zu kommt. Wir können ihm auf keinen Fall entfliehen und sind beide so müde, dass wir es nicht einmal versuchen. Zusammen sitzen wir in unserem Boot, hungrig, vollkommen erschöpft und verloren.
    »Ich hoffe, es ist die Erhebung«, sagt Indie.
    »Sie muss es sein«, sage ich.
    Als das Brummen näher kommt, ergreift Indie plötzlich meinen Arm. »Ich hätte mir ein blaues Kleid ausgesucht«, sagt sie. »Und ich hätte ihm geradewegs in die Augen geschaut, egal, wer es gewesen wäre. Ich hätte keine Angst gehabt.«
    »Ich weiß«, sage ich.
    Indie nickt und wendet sich wieder dem zu, was immer auf uns zukommt. Kerzengerade sitzt sie da. Ich stelle mir vor, wie sich blaue Seide – in genau der gleichen Farbe wie das Ballkleid meiner Mutter – um sie bauscht. Ich stelle mir vor, wie sie am Ufer des Meeres steht.
    Sie ist wunderschön.
    Jeder Mensch hat irgendetwas Schönes an sich. An Ky sind mir zuerst seine Augen aufgefallen, und ich liebe sie noch immer. Aber die Liebe lässt einen genauer und immer genauer hinsehen. Man bemerkt den Handrücken, eine Drehung des Kopfes, die Art zu gehen. Die erste Verliebtheit blendet, und man sieht alles nur als wundervolles, umschwärmtes Ganzes oder als die wunderschöne Summe wunderschöner
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