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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht
Autoren: Ally Condie
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zu der geworden bin, die ich sein möchte«, antworte ich.
    Dann nähern wir uns einander.
    Wir haben beide Fehler gemacht und wollen beide versuchen, sie wiedergutzumachen. Mehr können wir nicht tun.
    Ky beugt sich zu mir und küsst mich, nimmt mich aber nicht in die Arme.
    »Warum umarmst du mich nicht?«, frage ich und weiche ein Stück zurück.
    Er lacht leise und streckt mir erklärend die Hände hin. Sie sind mit Schmutz, Farbe und Blut bedeckt.
    Ich ziehe eine Hand zu mir und lege meine Handfläche gegen seine. Ich spüre körnigen Sand, glatte Farbe und die Schnitte und Kratzer, die von seiner Reise erzählen.
    »Das geht alles wieder ab«, verspreche ich ihm.

Kapitel 49 KY

    Als ich sie an mich ziehe, spüre ich ihre Leidenschaft, Wärme und Sehnsucht, doch dann windet sie sich aus meinen Armen und rückt von mir ab. »Tut mir leid«, sagt sie, »das habe ich ganz vergessen.« Unter ihrem Hemd zieht sie ein kleines Reagenzglas hervor. Sie bemerkt den Schrecken auf meinem Gesicht und fährt rasch fort: »Ich musste es tun!«
    Wie zum Versuch einer Erklärung hält sie mir das Röhrchen hin. Es reflektiert das Licht unserer Stirnlampen, und ich brauche einen Moment, bis ich die Aufschrift lesen kann: REYES , SAMUEL . Ihr Großvater. »Ich habe es genommen, als ihr alle Hunter angesehen habt, nachdem er das Reagenzglas zerbrochen hatte.«
    »Eli hat auch eins geklaut«, gestehe ich, »und es mir gegeben.«
    »Vom wem stammt die Probe?«, fragt Cassia.
    Ich sehe hinüber zu Indie. Wenn sie wollte, könnte sie jetzt das Boot in den Fluss stoßen und Cassia zurücklassen. Sie tut es aber nicht. Ich wusste es. Nicht jetzt. Wenn man das gleiche Ziel hat wie Indie, könnte man sich keine bessere Steuerfrau wünschen. Sie trägt den Rucksack und steuert durch die reißende Strömung. Sie wendet uns den Rücken zu und wartet reglos unter den Bäumen neben dem Boot.
    »Vick«, sage ich zu Cassia.
    Zuerst war ich erstaunt, dass Eli nicht seine Eltern gewählt hatte, aber dann erinnerte ich mich daran, dass sie dort nicht gewesen sein können. Eli und seine Familie galten schon seit Jahren als Aberrationen. Vicks Deklassifizierung war dagegen wohl noch nicht lange genug her, dass man seine Probe schon entfernt hätte.
    »Eli vertraut dir«, sagt Cassia.
    »Ich weiß«, antworte ich.
    »Und ich auch«, fährt sie fort. »Was wirst du jetzt tun?«
    »Ich werde die Probe verstecken«, sage ich. »Bis ich weiß, wer die Reagenzgläser in der Höhle gelagert hat und warum. Bis wir wissen, ob wir der Erhebung vertrauen können.«
    »Und die Bücher, die du aus der Höhle der Farmer mitgenommen hast?«, fragt sie.
    »Die auch«, sage ich. »Auf dem Weg am Fluss entlang werde ich ein geeignetes Versteck suchen.« Ich schweige für einen Moment. »Wenn du möchtest, dass ich auch für dich etwas verstecke, kann ich es gerne tun. Ich werde mich auch später darum kümmern, dass du alles zurückerhältst.«
    »Ist das nicht zu schwer für dich?«, fragt sie.
    »Nein«, sage ich.
    Sie gibt mir das Reagenzglas und holt die Sammlung loser Blätter aus ihrem Rucksack, die sie aus der Höhle mitgenommen hat. »Nichts davon habe ich selber geschrieben«, sagt sie mit schmerzlichem Unterton. »Aber eines Tages werde ich es tun.« Dann legt sie mir die Hand an die Wange. »Versprichst du, mir den Rest deiner Geschichte zu erzählen?«, fragt sie. »Jetzt? Oder wenn wir uns wiedersehen?«
    »Meine Mutter«, beginne ich. »Mein Vater.« Ich schließe die Augen und versuche, ihr alles zu erklären. Aber was ich sage, ergibt keinen Sinn. Es kommt nur eine Aneinanderreihung von Wörtern heraus …
    »Als meine Eltern starben, unternahm ich nichts
    Deshalb wollte ich
    Wollte ich
    Wollte ich …«
    »Irgendetwas unternehmen«, ergänzt sie sanft. Wieder nimmt sie meine Hand, dreht sie um und betrachtet die schmutzige Mischung von Kratzern, Farbe und Schmutz, die der Regen noch nicht weggewaschen hat. »Du hast recht. Wir können nicht unser Leben lang tatenlos herumsitzen. Aber du hast doch etwas unternommen, Ky. Ich denke an das Bild, das du für mich in Oria gemalt hast. Du hast versucht, deine Eltern wegzutragen.«
    »Das stimmt nicht«, flüstere ich, und meine Stimme bricht. »Ich habe sie liegen lassen und bin weggerannt.«
    Sie nimmt mich fest in die Arme und flüstert mir etwas ins Ohr. Worte, die nur für mich bestimmt sind – die Poesie des
Ich liebe dich
 –, um mich in der Kälte zu wärmen. Damit verwandelt sie mich aus Asche
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