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Heidegger - Grundwissen Philosophie

Heidegger - Grundwissen Philosophie

Titel: Heidegger - Grundwissen Philosophie
Autoren: Udo Tietz
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[7]
Einleitung
    »Jede philosophische Problematik hat etwas im Rücken, das sie selbst und trotz ihrer höchsten Durchsichtigkeit nicht erreicht, denn die Durchsichtigkeit hat sie gerade daher, daß sie um jene Voraussetzung nicht weiß.«
    Martin Heidegger
    Heidegger zählt zu den Denkern, die den philosophischen Diskurs der Moderne im 20. Jahrhundert entschieden geprägt haben. Wie wenige vor ihm hat er unser abendländisches Selbstverständnis einer grundlegenden Revision unterziehen wollen, die auch noch die Grundlagen eines Denkens betrifft, das sich auf das neuzeitliche Prinzip der Subjektivität und das damit verbundene Seinsverständnis gründet. Heidegger geht es um einen anderen Anfang, um einen Anfang, der nicht mehr den Menschen samt seiner verabsolutierten Zweckrationalität der »Durchrechnung alles Handelns und Planens« in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt, sondern um einen Anfang, der auf dem Weg einer intern ansetzenden Überwindung der Metaphysik dieses Seinsverständnis überschreitet. Und insofern im Abendland die Metaphysik der Ort ist, an dem sich dieses Seinsverständnis artikuliert, zielt Heidegger nicht nur auf eine philosophische Revision des abendländischen Selbstverständnisses, sondern gleichzeitig auf eine Revision der gesamten Metaphysik.
    Es besteht kein Zweifel: Heidegger geht es um die Eröffnung neuer Denkhorizonte, die jenseits des vergegenständlichenden Denkens der traditionellen Metaphysik liegen, von der er meint, daß sie das abendländische Denken gefangenhält. Er stieß dabei jedoch auch an Grenzen, die er nicht zu überschreiten vermochte. Genau hier liegen die Schwierigkeiten einer angemessenen Rezeption. Denn angemessen kann keine Rezeption sein, die einzelne Begriffe, Thesen und Einsichten aus ihrem Zusammenhang heraushebt oder aber die [8] Denkweise von Heidegger nur imitiert – einer der wohl unsympathischsten Züge der »Verehrung« eines Philosophen, der nur Verachtung für eine derartige Verehrung übrig gehabt hätte. Eine produktive Rezeption kann nur indirekter Art sein, wobei sich zweierlei zeigen müßte: erstens, inwieweit wir noch heute von den Fragen betroffen sind, die Heidegger umtrieben, und zweitens, wie sich einzelne Intentionen und Motive Heideggers retten lassen, ohne daß wir uns damit auf Prämissen verpflichten, die sich unter den Bedingungen eines Denkens
nach
Heidegger nicht mehr vertreten lassen.

[9]
Die Frühschriften
    Im Vorwort zu den
Frühen Schriften
stellt Heidegger 1972 fest: »Zur Zeit der Niederschrift der vorliegenden, im wörtlichen Sinne hilf-losen frühen Versuche, wußte ich noch nichts von dem, was später mein Denken bedrängte. Gleichwohl zeigen sie einen mir damals noch verschlossenen Wegbeginn: in Gestalt des Kategorienproblems die
Seins
-frage, die Frage nach der
Sprache
in der Form der Bedeutungslehre. Die Zusammengehörigkeit beider Fragen blieb im Dunkel. Die unvermeidliche Abhängigkeit ihrer Behandlungsart von der herrschenden Maßgabe der Lehre vom
Urteil
für alle Onto-Logik ließ das Dunkel nicht einmal ahnen.« (GA 1, 55) Nimmt man diese Feststellung ernst, dann deuten sich in Heideggers »hilf-losen frühen Versuchen« die zwei zentralen Themen seines Denkens an: die Seinsfrage und die Frage nach der Sprache. Beide Fragen haben ihn zeit seines Lebens beschäftigt.
    Bei den hier angesprochenen Versuchen handelt es sich um Heideggers Dissertation
Zur Lehre vom Urteil im Psychologismus
aus dem Jahr 1913 und um seine Habilitation zur
Kategorien- und Bedeutungslehre des Duns Scotus
von 1915, die Heidegger Heinrich Rickert (1863–1936), dem damaligen Haupt des südwestdeutschen Neukantianismus, »in dankbarster Verehrung« widmet. Rickert, der auch schon der Zweitgutachter der Dissertation war, übte einen überaus starken Einfluß auf den frühen Heidegger aus, insofern dieser zusammen mit Emil Lask (1875–1915) und Edmund Husserl (1859–1938), dem Begründer der Phänomenologie, in Frontstellung zum Psychologismus das Urteil als »psychischen Vorgang des Zusammentreffens verschiedener Vorstellungen« gegenüber dem »Vorstellungsinhalt« im Sinne des »Urteilssinns« abgehoben hat – womit der Weg in Richtung einer antipsychologistischen und damit antirelativistischen Logikbegründung frei schien.
    [10] Auch Heidegger geht es in seinen beiden Qualifikationsarbeiten um solch eine antipsychologistische Logikbegründung, wobei sich das maßgebliche Argument aus der Unterscheidung von »Urteilssinn« und
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