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Nachtblüten

Nachtblüten

Titel: Nachtblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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    Der junge Mann, Gjergj, hatte sich einfach davongemacht. Seine wenigen Habseligkeiten verschwanden von einem Tag auf den anderen aus dem kleinen Zimmer in der Villa, und das war’s. Der Maresciallo hatte noch oft Veranlassung, sich zu fragen, was wohl aus ihm geworden sein mochte. Aber das Albanerproblem… man konnte nur immer wieder sein Bestes versuchen. Wenigstens war Dori von der Straße weg. Und in gewissem Sinne zählte das am Ende mehr, weil schließlich auch ein Kind betroffen war. Das dürfte jetzt wie alt sein? Drei Monate ungefähr.
    Der Maresciallo war nach einem schönen Frühlingsnachmittag auf dem Lande unterwegs zur Carabinieri - Wache im Palazzo Pitti. Er hoffte inständig, daß der kommende Sommer nicht wieder so heiß werden würde wie der letzte. Er erinnerte sich noch gut an den Tag, als sie bei der Rückkehr aus den Ferien im heimischen Syrakus von der drückenden Hitze und dem Touristengedränge überfallen wurden. Florenz im Juli…
    Glanzpunkt des Oltrarno, wie das Viertel am linken Arno-Ufer heißt, ist der Palazzo Pitti, der, nur einen Steinwurf vom Ponte Vecchio entfernt, mit seiner mächtigen, langgestreckten Fassade wie ein steinernes Bollwerk über dem Platz thront und die Aussicht auf den dahinterliegenden Boboli-Hügel versperrt… Es bedarf schon einiger Phantasie, sich hinter der streng rustikalen, von Arkaden gegliederten Palastfront die verborgene Parkanlage vorzustellen, die sich auf dem Hügel ausdehnt und den Blicken der Besucher erst dann erschließt, wenn sie den Palast betreten und ihre Schritte in den weitläufigen Innenhof lenken…
    Maresciallo Guarnaccia blätterte in einem Reiseführer. Hübsch bebildert. Kostete auch eine schöne Stange Geld. Er hätte wetten mögen, daß die Frau, die das Buch hatte liegenlassen, als sie auf die Wache gekommen war, um den Verlust oder Diebstahl ihrer Brieftasche anzuzeigen, diese beim Kauf des Reiseführers auf dem Tresen vergessen hatte. Wenn es bei dieser Hitze erst einmal anfing mit der Vergeßlichkeit… Seufzend lehnte er sich in seinem Ledersessel zurück. Da kommt man erfrischt und hoffnungsfroh aus dem Urlaub heim und denkt, nun würde alles anders werden. Aber kaum daß man sein Büro betritt, ist wieder alles beim alten.
    Ein junger Carabiniere klopfte und streckte den Kopf zur Tür herein. Guarnaccia blickte auf. »Ist die letzte Frau wegen Ihres Reiseführers zurückgekommen?«
    »Nein. Kann ich den nächsten reinschicken?«
    »Wie viele sind denn noch draußen?«
    »Im Warteraum nur vier, aber da wäre noch diese Prostituierte… Ich hatte sie für heute morgen bestellt…«
    »Oh.«
    »War das falsch? Sie wollte nur mit Ihnen sprechen, und Lorenzini meinte…«
    »Sie haben das schon ganz richtig gemacht. Und schicken Sie sie gleich zu mir, wenn sie kommt.«
    »Jawohl, Maresciallo. Und soll ich jetzt…?«
    »Geben Sie mir noch zwei Minuten, mein Junge, ja?«
    Was war mit zwei Minuten gewonnen? Nun, zunächst einmal konnte er seine Jacke ausziehen. Erst halb zehn, und er verging bereits vor Hitze. Gewiß, daheim in Syrakus hatten sie oft neununddreißig, vierzig, einundvierzig Grad, aber dafür wehte immer eine leichte Brise vom Meer herüber. Dagegen Florenz im Juli… Er blätterte die restlichen Seiten des bunt bebilderten Reiseführers durch.
    Sehenswert auch der Neptunbrunnen auf der Piazza della Signoria, von der man besonders abends einen traumhaften Ausblick auf Florenz genießt.
    Wohl wahr, und obendrein saß er hier im Palazzo Pitti und hatte das schönste Panorama direkt vor den Fenstern. Nur daß er die bei der Hitze nicht öffnen konnte, ja sogar die Läden geschlossen halten mußte. Florenz im Juli spottete jeder Beschreibung. Wenn nur das Arnotal nicht so ein schwüler Kessel wäre. Wer Tag für Tag die übelriechende Suppe aus Autoabgasen, Schweiß, Brackwasser und Kanalisationsgestank einatmete, hatte nur noch das Bedürfnis, daheim zu bleiben, wo es kühl und sauber war. Jeden Abend hieß es in den Nachrichten, daß Kinder, Kranke, Asthmatiker und alte Menschen den Aufenthalt im Freien während der heißesten Tageszeit meiden sollten. Carabinieri waren anscheinend keine schutzwürdige Spezies.
    »Puh!« Der Maresciallo hängte seine Uniformjacke neben Mütze und Holster hinter die Tür. Mit den kurzen Hemdsärmeln fühlte er sich ein klein wenig wohler, und mit etwas Glück würde er heute das Büro nicht verlassen müssen. Als er seinen massigen Leib zwischen Schreibtisch und Sessel zwängte, kam

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