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Nachtblüten

Nachtblüten

Titel: Nachtblüten
Autoren: Magdalen Nabb
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Sache?«
    »Beides gehört zusammen, Dori. Heirat oder Knast, darauf läuft’s hinaus. Wenn Sie Ilir verpfeifen, dann müssen Sie von der Straße verschwinden. Verpfeifen Sie ihn nicht, dann wird man Sie einlochen. Wir brauchen Sie vielleicht als Belastungszeugin gegen ihn, aber unabhängig davon haben wir genug gegen Sie in der Hand. Wollen Sie, daß Ihr Kind im Gefängnis zur Welt kommt? Sie dürfen von jetzt an nicht mehr nur an sich denken.«
    Er sah ihr an, daß sie noch keine Beziehung zu diesem Kind hatte, aber wenn es erst einmal geboren war, würde sie schon zur Besinnung kommen, und auch wenn ein so hübsches Mädchen wie sie sich vielleicht mehr als einen heiratswilligen Kunden angeln konnte, wäre ein Mann, der bereit war, sie mit einem Kind zu nehmen, wohl doch nicht so leicht zu finden.
    Ilir Pictri, ihr ›Beschützer‹, war geschnappt worden, als er bei ihr abkassierte, was er in gewissen Abständen während ihrer Nachtschicht zu tun pflegte, aus Angst, sie könnte andernfalls etwas für sich abzweigen oder bestohlen werden. Dori brachte es in einer Nacht locker auf zwei Millionen Lire. Sie hatte Anweisung, zu bestimmten Zeiten eine Telefonzelle im Cascine-Park aufzusuchen, so zu tun, als ob sie telefonierte, und die Geldscheine unter das Telefonbuch zu schieben. Ilir ging dann gleich nach ihr in die Zelle, tat so, als würde er telefonieren, und nahm das Geld an sich. Für zwei Carabinieri in Zivil war es ein leichtes gewesen, dieses Manöver zu durchschauen und Ilir während eines ›Anrufs‹ festzunehmen. Jetzt saß er in Untersuchungshaft und wartete auf seinen Prozeß, und sie brauchten Doris Aussage, um ihn wegen Zuhälterei zu verurteilen. Als sie nach Pictris Festnahme seine Wohnung durchsucht hatten, fanden sie einen Brief von Dori an eine Freundin daheim in Albanien. Die Übersetzung ergab, daß Dori dem Mädchen zuredete, ebenfalls nach Florenz zu kommen. Sie hatte ihr geschrieben, wieviel sie dort verdienen könne, Fahrgeld beigefügt sowie Kontaktadressen und genaue Anweisungen für eine illegale Einreise. Mit diesem Brief hatte auch sie sich der Zuhälterei schuldig gemacht, und das Gericht schlug ihr einen Deal vor. Sie solle gegen Ilir aussagen, und die Klage gegen sie würde fallengelassen. Und nun hatte einer von Doris Kunden, ein gewisser Mario B. ihr einen Heiratsantrag gemacht. Der Maresciallo hatte sich mit ihm in Verbindung gesetzt, hatte von Mann zu Mann mit ihm gesprochen, und Mario schien gewillt, das Mädchen zu heiraten, obwohl sie schwanger war. Ja, er hatte sogar gesagt: »Wer weiß, vielleicht ist das Kind ohnehin von mir. Außerdem hat sie es mir selbst gesagt, wissen Sie. Es ist also nicht so, daß sie versucht hätte, es vor mir zu verheimlichen, wie das vielleicht manche andere getan hätte. Sie ist ein gutes Mädchen, das in schlechte Verhältnisse geraten ist.«
    Und der Maresciallo dachte: ›Sie ist groß, blond und sexy, und du bist zwar anständig und ehrbar, aber ansonsten nur ein biederer Bürohengst, dessen Gesicht genauso langweilig ist wie sein Beruf.‹ Also versuchte er nicht, Mario von seinem Vorhaben abzubringen. Er hörte ihm einfach zu. Der Junge würde eine Portion Glück brauchen, damit diese Ehe gutging, aber welche Ehe hielt schon ohne Glück?
    Und jetzt hörte er Dori zu. Sie war wesentlich realistischer als ihr Zukünftiger, und ihre Bedenken waren nur zu verständlich. Falls sie sich jemals Hoffnungen oder gar Illusionen gemacht hatte, so waren ihr die ausgetrieben worden, lange bevor Ilir mit seinem Geld die sündteure Passage bezahlte, die sie durchnäßt und halb verhungert in einem Schlauchboot nach Puglia brachte.
    »Außerdem, wie lange wird er denn kriegen? Wenn er rauskommt, könnte er sich immer noch an mir rächen, ob ich nun verheiratet bin oder nicht.«
    »Du kannst es dir leisten, dich freizukaufen.« Sie wußten beide, daß er nicht ganz ehrlich zu ihr war. Im Schnitt lag der Preis für ein Mädchen bei etwa fünfundzwanzig Millionen Lire. Aber eins, das so aussah wie Dori, fand man nicht alle Tage. Sie war nicht in der Lage, Ilir auszuzahlen.
    »Also, dann heirate Mario. Ihr werdet in Prato leben, eine andere Stadt, eine andere Welt…«
    Sie zündete sich eine neue Zigarette an und überlegte.
    Beiden gingen die gleichen Bilder durch den Kopf, die weder er noch sie in Worte fassen mochte. Stockdunkle Nächte auf der Autobahn. Mädchen, die sich weigerten mitzuspielen, Mädchen, die glaubten, sie könnten es auf eigene Faust
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