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Nachtblüten

Nachtblüten

Titel: Nachtblüten
Autoren: Magdalen Nabb
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glattstrich und versuchte, ihre Gedanken in eine verständliche Form zu bringen. Der Anblick der Armeekalender hinter seinem Kopf, der vom Photokopierer und Aktenschrank würden sie dabei nicht eben beflügeln, dachte er. Schlohweiß hob sich ihr Haar gegen den oliv schimmernden Teint ab, ihre Augen waren fast so schwarz wie ihr elegantes Kleid. Guarnaccias Blick fiel auf die goldene Halskette, die leicht verschmutzten Brillanten in ihrem Ring. Einen Trauring trug sie nicht. Die armen Leute hier im Viertel San Frediano waren redselig. Die nannten das Kind beim Namen. Sie hatten keinen Rückhalt außer der eigenen Familie, und sie kamen zu ihm, um ihr Herz auszuschütten und an seine Hilfsbereitschaft zu appellieren. Damen mit alten Brillanten hatten in der Regel einflußreiche Freunde, die ihnen weiterhalfen, und wenn sie trotzdem zu ihm kamen, dann erwarteten sie durchgreifende Maßnahmen, wollten aber so wenig wie möglich von sich preisgeben. Er starrte die Signora mit seinen großen, leicht vorstehenden Augen an. Sekundenlang hielt sie seinem Blick stand, dann glitten ihre Augen zur Seite und in die Höhe. Die Spitzen der lackierten Fingernägel tasteten nach der Halskette. Er wartete. Sie entschloß sich, ihn doch nicht zu belügen, und schaute ihn wieder an, als sie sagte: »Ich bin zu Ihnen gekommen, weil ich mich fürchte.«
    »Soso. Und wovor fürchten Sie sich, Signora?«
    Doch ihr Blick huschte schon wieder unstet aufwärts und zur Seite. »Ich weiß nicht. Ich… jemand war während meiner Abwesenheit in meiner Wohnung. Natürlich habe ich keine Ahnung, wer das gewesen sein könnte.«
    »Ist etwas gestohlen worden?« Er langte nach einen Bogen linierten Papiers mit geprägtem Briefkopf, um Ihre Aussage aufzunehmen.
    »Nein! Nein, es ist nichts gestohlen worden, und ich möchte nicht… Müssen Sie das protokollieren?«
    »Keineswegs, Signora, wenn Sie es nicht wollen.« Er legte das Blatt zurück.
    »Nein, lieber nicht. Ich dachte, wenn ich Ihnen davon erzähle, also ganz vertraulich, dann könnten Sie mir vielleicht einen Rat geben. Meine Nachbarin, eine junge Frau, deren Mann Architekt ist – sie haben ein kleines Mädchen, das mir nachmittags hin und wieder Gesellschaft leistet, wenn beide Eltern arbeiten – aber das tut natürlich nichts zur Sache. Ich möchte Ihnen nur erklären, warum ich hergekommen bin, obwohl mir nichts…«
    »Sie sind mir keine Erklärung schuldig, Signora.«
    »Mag sein, aber ich möchte nicht, daß Sie denken, ich würde bloß Ihre Zeit vergeuden und sei nur zum Reden gekommen, wo ich doch keinen Diebstahl zu melden habe.«
    »Dafür bin ich da.«
    »Sie sind sehr freundlich, aber da fällt mir ein… unlängst wurde mir die Handtasche gestohlen – Sie kennen das ja, ein junger Bursche auf einem Motorroller. Es heißt, eine Frau, die unverletzt davonkommt, solle dankbar sein, daß es ihr nicht so ergeht wie den vielen, die ihre Tasche festzuhalten versuchen und von dem flüchtenden Täter über die Fahrbahn geschleift werden. Jedenfalls habe ich in Ihrem Präsidium in der Via Borgognissanti Anzeige erstattet, und obwohl sie ausgesprochen höflich waren, sehr nett, wirklich, hatte ich nicht das Gefühl, daß ich dort hätte hingehen können mit… also um über meine…«
    »Um über Ihre Ängste zu sprechen, meinen Sie? Nun, da haben Sie recht. Im Präsidium sind sie sehr überlastet. Sehr vernünftig, daß Sie zu uns gekommen sind. Diese Nachbarin, die Sie erwähnten, kenne ich die?«
    »Von früher, ja. Sie meinte, Sie würden sich nicht mehr an sie erinnern, aber Sie hätten ihr und ihrem Mann sehr geholfen damals, gleich nach der Geburt der Kleinen, als sie befürchten mußten, man würde sie aus ihrer Wohnung setzen. Vielleicht erinnern Sie sich doch?«
    »Nein, tut mir leid. Aber wahrscheinlich habe ich gar nicht groß was unternommen, damals. Sie haben Ihren Nachbarn also erzählt, was Sie bedrückt?«
    Wieder wich sie seinem Blick aus, ihre Finger bebten und nicht nur die, auch Nase, Mund, Hals.
    »Ich hab’s erwähnt, ja. Für den Fall, daß sie jemanden auf der Treppe gesehen hätte, in der Nähe meiner Wohnungstür.«
    »Sehr vernünftig. Und Sie sind absolut sicher, daß nichts weggekommen ist?«
    »Ja.«
    »Irgendwelche Spuren, die auf ein gewaltsames Eindringen hindeuten?«
    »Keine.«
    »Was haben Sie denn für ein Schloß?«
    »Ein Stangenschloß. Sechs horizontale Riegel und einen vertikalen vom Boden bis zum Türrahmen.«
    »Also keins, das sich mit
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