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Calling Crystal

Calling Crystal

Titel: Calling Crystal
Autoren: Joss Stirling
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wider; Xav saß mit gesenktem Kopf in Gedanken verloren da. Ich setzte mich neben ihn.
    »Hey«, sagte ich leise.
    »Hey.« Er sah auf, mit warmem Blick, aber ohne zu lächeln.
    »Alles okay?«
    »Ich … versuche einfach nur, mit dem klarzukommen, was da passiert ist. Du hast einfach nicht aufgehört.«
    »Ich weiß.«
    »Ich habe geglaubt, dir würde jeden Moment eine Ader im Kopf platzen oder so was.«
    »Mir geht’s gut.«
    »Ja, jetzt. Ich musste ein paar Blutgefäße flicken, weißt du?«
    Autsch. Ich fasste mir an die Stirn. »Das hab ich nicht gewusst. Danke.«
    Eine Touristengruppe lief hinter uns vorbei; der Fremdenführer schwenkte einen Stab hin und her, an dessen Ende ein roter Stofffetzen flatterte.
    »Ich hab hier gesessen und mir überlegt, dass du michin die Position von jemandem bringst, der mit einem im Krieg kämpfenden Soldaten zusammen ist. Ich hasse es, dich in die Schlacht ziehen zu lassen, aber ich weiß, dass du gehen musst.«
    Ich war erleichtert, dass er mir nicht wirklich Vorwürfe machte.
    »Danke. Diese Gabe … Es wird nicht immer so laufen.«
    Er schnaufte resigniert.
    »Ich lerne gerade alle Kniffe und Tricks. Ich werde versuchen, das nächste Mal besser auf mich zu achten.«
    »Es wird also ein nächstes Mal geben?«
    Ich schabte mit dem Fuß über die Stufe. »Ja, na ja, ich habe dem Butler Alberto versprochen, dass ich zurückkommen und versuchen würde, ihm und seinen Leuten zu helfen.«
    »Wann?«
    »Morgen.«
    »Oh Mann, Crystal, ich bin mir nicht sicher, ob meine Pumpe das mitmacht.«
    »Willst du, dass ich mein Versprechen breche?«
    »Nein. Das ist ja das Ätzende: Ich stehe hundertprozentig hinter dir. Aber es gefällt mir eben nicht.«
    Das war okay. Ich lehnte mich an ihn an. »Mein Ratschlag? Stell dich einfach nicht hinter mich.«
    »Guter Tipp. Was nicht heißen soll, dass der Ausblick von dort nicht vortrefflich wäre.«
    Ich grinste. »Stell dich einfach neben mich. Anscheinend brauche ich dich nämlich, um mich zusammenzuflicken.«
    »Wie ich sehe, werde ich alle Hände voll zu tun haben, vor allem, weil du dazu neigst, vorzustürmen und dich in jede Menge Ärger zu stürzen.«
    Ich nahm eine Hand von seinem Knie herunter und legte sie auf meine. »Du hast den Job!«
    Wir saßen eine Weile da und genossen den Sonnenuntergang, der die uralten Steine in ein zartes Pink tauchte. Venedig war eine magische Stadt, so kunstvoll wie der ausgefeilte Mechanismus einer alten verschnörkelten Uhr, veraltet, aber noch immer am Ticken. Bis die Zeit für sie abgelaufen war, zumindest.
    »Was meinst du, wie viele Liebespaare haben hier schon gesessen?«, fragte er und deutete auf den Platz mit seinen tief liegenden Eingängen zur Basilika, dem Dogenpalast und den langen Reihen wartender Gondeln, die in der Lagune auf und ab wippten.
    »Zu viele. Wir laufen Gefahr, zum Klischee zu verkommen.«
    »Macht mir nichts aus; und dir?«
    »Kein Stück.«
    Er hielt meine Hand; presste seine warme Handfläche an meine kalte Haut.
    »Deine Brüder haben Schiss, dass wir uns zusammentun und sie zum Ziel unserer gemeinsamen Spötteleien machen könnten.«
    »Klingt nach ’nem guten Plan.«
    »Aber ich kenne dich, Xav Benedict.«
    Er hob eine Augenbraue. »Bin ich so leicht zu durchschauen?«
    »Für deinen Seelenspiegel schon. In deiner Familie hast du dir die Rolle des Witzbolds zu eigen gemacht, aber so kurios, wie es auch klingen mag …«
    Er lächelte. »Soll das etwa heißen, ich wäre kurios?«
    »Wer weiß? Egal, was ich sagen wollte – so kurios, wie es auch klingen mag, in Wahrheit bist du einer der tiefgründigsten Menschen, die ich kenne, und mit Abstand der mitfühlendste. Du setzt deinen Humor ein wie Diamond ihre Schlichtungsfähigkeit, nämlich um zu lindern, und wenn möglich, um zu heilen.«
    Der Schalk in seinen Augen verschwand und dafür trat ein beinah schmerzlicher Ausdruck von Verwundbarkeit in sein Gesicht. »Ja, vielleicht mache ich das wirklich. Ich hab da noch nicht so viel drüber nachgedacht. Ich mache es einfach.«
    »Aber manchmal geht’s auch daneben … wenn du mit deinen Witzen übers Ziel hinausschießt.«
    »Du meinst also, ich bin doch nicht vollkommen?« Er klang mehr erleichtert als beleidigt.
    »Richtig. Weißt du, bei all den Witzeleien erkennen die Leute oft nicht, dass du genauso verletzlich bist wie jemand, der ein ernsteres Wesen hat. Es wird für dich nicht leicht werden, mein Seelenspiegel zu sein, was?«
    Er drückte meine Hand. »In gewisser
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