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Calling Crystal

Calling Crystal

Titel: Calling Crystal
Autoren: Joss Stirling
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in unserem Hotel.«
    Ich zuckte mit den Schultern. Ich hatte keine Lust, zu unserem Hotel zurückzukehren, nicht solange ich mir noch den schokoladigen Nachgeschmack auf der Zunge zergehen ließ.
    »Oder wenn du das nicht willst, sollten wir vielleicht mal über eine Ausbildung nachdenken? Du hast dich doch schon immer für Design und Mode interessiert. Wir könnten Signora Carriera fragen, ob sie Hilfe beim Karneval braucht. Es wäre bestimmt spannend zu sehen, wie man in so kurzer Zeit dermaßen viele verschiedene Kostüme anfertigt, oder? Ich weiß zum Beispiel, dass sie zurzeit alle Hände voll zu tun hat, da sie außerdem noch die Outfits für einen großen Hollywoodfilm macht, der nächsten Monat in Venedig gedreht wird.«
    Das klang zugegebenermaßen interessant, aber schon war der vergnügte Kellner wieder da und schenkte unsmit einer übertriebenen Geste Kaffee nach. Vielleicht war er ein Schauspieler, der zwischen zwei Engagements ›pausierte‹. Ich hingegen war mit meinen neunzehn Jahren in Sachen eigener Karriere noch nicht mal aus dem Startblock herausgekommen.
    »Wie war das Essen, meine Damen?«, fragte er, die Augen auf meine Schwester gerichtet, in der Hoffnung auf ein kleines Fitzchen Lob. Ganz offensichtlich hatte er sich bereits in Diamond verliebt, so wie die meisten Y-Chromosom-Träger es taten.
    »Es war wunderbar, danke.« Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln und ihr kinnlanges Haar schwang leicht hin und her, als sie aufblickte. Diamond hatte die elegante Frisur und die edlen Gesichtszüge einer Kleopatra – die Ähnlichkeit mit der Pharaonin kam nicht von ungefähr, denn unsere Mutter war Ägypterin. Dad war ein britischer Diplomat gewesen, der nach Kairo versetzt wurde, wo er sich in Mama verliebte und sie heiratete. Wir waren eine richtige Multikulti-Familie – Diamond und ich lebten jetzt in Venedig, mehr oder weniger in der Mitte zwischen unserem saftig grünen Heimatland Großbritannien und den staubigen Nilufern. Ich hatte keine sehr ausgeprägte nationale Identität. Italien war eher so etwas wie mein Adoptivland. Vielleicht war dieses Gefühl des Entwurzeltseins ein weiterer Grund für meine Unzufriedenheit mit mir selbst?
    Der Kellner erinnerte sich schließlich daran, sich auch nach meiner Meinung zu erkundigen. »Und wie hat Ihnen das Dessert geschmeckt?«, fragte er höflich.
    »Das war klasse.« Ich lächelte ihn an, aber sein Augenmerk lag längst wieder auf meiner Schwester. Sichtlich zufrieden trat er den Rückzug an. Mich nahm er wohl nur am Rande wahr, doch das konnte ich ihm nicht verübeln: Ich hatte die eher markanten Pharaonen-Merkmale mitbekommen, eine große Nase und kräftige Augenbrauen, aber nichts von der Eleganz, und zu allem Übel hatte ich auch noch die Löwenmähne der Familie meines Vaters geerbt. Vererbung war bei Savants meist eine komplizierte Sache – wir waren da keine Ausnahme.
    Dad hatte eine venezianische Mutter gehabt, mit der typischen Haarpracht vieler Norditaliener: ein Wust von Locken, in dem sich alle möglichen Farbnuancen finden, von Schmutzigbraun bis sonnengebleichtes Blond. Das kann man manchmal auch auf den Gemälden alter Meister sehen, allerdings habe ich keine madonnenhaft weichen Wellen, sondern eine wilde Flut krauser Ringel. In Gegenwart meiner Schwester fühle ich mich immer wie eine zottige Löwin neben einer geschmeidigen, seidig glänzenden Miezekatze.
    Der Touristenmagnet, das Hard Rock Café , füllte sich mit Studenten und Reisenden, der Lärmpegel stieg und mit den zahlreichen Bestellungen wurde unser Kellner mal hierhin mal dorthin gescheucht. Mein Blick wurde von einem Glaskasten angezogen, in dem vorgeblich eine original Michael-Jackson-Uniformjacke hing; ich musste angesichts meines Spiegelbilds grinsen, das optisch verzerrt so aussah, als hätteich so gut wie keinen Hals. Ich gähnte noch einmal. Worüber hatten wir eben gleich gesprochen? Ach richtig.
    »Du willst wirklich, dass ich für Signora Carriera arbeite? Das wäre der reinste Sklavenjob.« Ich kannte die Kostümschneiderin, die in Venedig in der Wohnung unter uns wohnte, ziemlich gut, da ich oft mit ihrem Hund Gassi ging, wenn sie beschäftigt war. Sie war eine ganz angenehme Nachbarin, wäre aber bestimmt eine extrem anspruchsvolle Chefin. Es grauste mir bei dem bloßen Gedanken, wie sie über meine Zeit verfügen würde.
    Diamond schob ihr Dessert beiseite. »Ich hasse es, mit anzusehen, wie du dein Leben vergeudest.«
    »Ich hasse Vergeudung auch.
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