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Calling Crystal

Calling Crystal

Titel: Calling Crystal
Autoren: Joss Stirling
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schlichten. Wir Savants sind Menschen, die mit einer besonderen Beigabe geboren worden sind; manche können die Zukunft vorhersehen, andere haben die Fähigkeit, mittels Gedankenkraft Dinge zu bewegen oder sich telepathisch zu unterhalten. Es kann allerdings jede Menge Konflikte geben, wenn dermaßen viele begabte Leute auf einen Haufen zusammenkommen – wie eine Schar von Operndiven im Teatro la Fenice, die alle darum wetteifern, im Rampenlicht zu stehen. Diamond hatte die beste Begabung in unserer Familie. Es war ziemlich cool, dabei zuzusehen, wie sie einen aggressiven Wortführer von einem zähnefletschenden Kampfhund in ein schwanzwedelndes Schoßhündchen verwandelte. Alle meine Geschwister hatten in einem gewissen Maß eine besondere Begabung. Nur ich nicht.
    Ich entspreche dem, was in der Welt von Harry Potter als ›Squib‹ bezeichnet wird. Um nicht zu sagen, ich bin ein Totalreinfall. Da ich als siebtes Kind zur Welt gekommen bin, hatten alle erwartet, ich würde die absolute Savant-Granate werden. Stattdessen bekamen sie ein Mädchen, das dir sagen kann, wo du deine Schlüssel verbummelt hast. Ja, genau – ich sehe Kram, zu dem du in Beziehung stehst, wie irgendwelchen die Erde umkreisenden Weltraummüll, und kann, falls nötig, die ungefähre Richtung angeben, wo du etwas Verlorengegangenes finden kannst. Telepathisch kommunizieren tue ich nicht, denn sobald ich Verbindung zu anderen Savants aufnehme, ist es so, als würde ich in einen Haufen kaputter Satelliten reinrauschen, und dann werde ich aus der mentalen Umlaufbahn geschleudert. Mit anderen Worten: Ich bin ziemlich unnütz, denn meine Begabung taugt nur zum Partygag oder als Hilfe für die Vergesslichen. Trotzdem macht meine Familie gern und oft Gebrauch von mir.
    So zum Bespiel gestern. Topaz rief mich an, als wir am Flughafen waren, allerdings nicht, um mit mir zu quatschen. »Crystal, Felicity hat ihren Mantel irgendwo in der Schule liegen lassen. Bist du so lieb und sagst mir, wo er ist?« Meine Schwester war die Mutter des schusseligsten Mädchens auf der ganzen weiten Welt.
    Meine Gabe funktioniert auch noch auf eine gewisse Entfernung, in diesem Fall auf zehn Meilen, da wir gerade in Heathrow waren und umsteigen mussten. Ich schloss die Augen und lavierte mich zwischen all demKram hindurch, der in Felicitys Geist herumwirbelte und … »Er ist hinter den Zeichentisch gerutscht.«
    »Was in aller Welt macht er denn da? Na egal. Danke, Schätzchen. Bis bald.«
    So verlaufen die Gespräche, die ich mit meinen Brüdern und Schwestern führe, immer. Ich bin die Ratgebertante in Sachen Alltagstohuwabohu.
    Meine Begabung ist eher Last als Segen. Was insofern besonders ätzend ist, weil das Dasein als Savant sowieso schon einen dicken fetten Haken hat: Es ist die Bestimmung von uns allen, unser Gegenstück zu finden, das uns vervollständigt, unseren Seelenspiegel. Unser ganzes Leben suchen wir nach diesem anderen Menschen, aber es besteht nur eine geringe Chance, dass wir ihn treffen, denn er könnte überall sein. Das muss man sich mal reinziehen – wenn dein Partner stirbt, bleibst du für immer allein und am Boden zerstört zurück, so wie es Mama mit dem Tod von Dad ergangen ist. Ich hatte Geschichten von Seelenspiegeln gehört, die sich erst im hohen Alter kennengelernt hatten. Und dann spricht man vielleicht noch nicht mal dieselbe Sprache. Meine Brüder und Schwestern teilten unterschiedliche Schicksale: Steel hatte Glück gehabt und im Alter von 25 Jahren mithilfe einer auf Savants spezialisierten Partnerbörse seinen japanischen Seelenspiegel kennengelernt. Sein Zwilling, meine Schwester Silver, hatte auf ihren nicht gewartet und bereits eine turbulente Scheidung hinter sich. Topaz war mit ihrem Mann glücklich; aber wir wissen alle, dass er nicht der Richtige ist, auch wenn er ein klasseTyp ist. Opal hat ihren Seelenspiegel in Johannesburg gefunden und lebt jetzt dort. Und unser jüngster Bruder, Peter, steckte in der gleichen Situation wie Diamond und ich: Er wartete.
    Ich hegte für mich nicht allzu viel Hoffnung: Falls mein Gegenstück existierte, wäre er entweder wahnsinnig begabt, um meine Unzulänglichkeiten auszubügeln, und ich wäre dann zu einem Leben in seinem Schatten verdammt, oder er würde zu meiner mickrigen Begabung passen und eine solche Lusche sein, dass wir uns vermutlich gar nicht erkennen würden. Telepathie konnte ich nicht ohne schlimme Nebenwirkungen benutzen; und Savants können nur feststellen, ob sie
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