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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel
Autoren: Timothy Carter
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Zettel befestigt. Mit deiner Handschrift. Ich frage dich also noch einmal, ob du mir etwas zu sagen hast.«
    »Nein, habe ich nicht«, knurrte Chester. »Und jetzt sieh zu, dass du Land gewinnst. Ich möchte nicht mit dir zusammen gesehen werden.«
    »Ach wirklich?«, entgegnete ich. »Damals in Wernsbridge hast du noch ganz anders gedacht.«
    »Darüber möchte ich nicht reden.«
    »Und wie war das letzten Freitag?«, fügte ich hinzu. »Da bist du zu mir gekommen, um dir meinen Geschichtsordner auszuleihen.«
    »Das war«, entgegnete Chester, »bevor ich wusste, dass du gerne mal an dir rumspielst.«
    »Hör mir gut zu, Ches«, sagte ich und beugte mich zu ihm vor, »der Schaden an dem Fenster kostet ein halbes Vermögen. Ich weiß, dass du es warst. Es ist deine Handschrift, und außerdem habe ich mir die Nummer vom Truck deines Vaters aufgeschrieben, als du geflohen bist.«
    »Du lügst«, gab er zurück. Er hatte recht. Ich hatte nichts dergleichen getan. Aber das musste ich ihm ja nicht unbedingt auf die Nase binden.
    »Ich hätte da einen heißen Tipp für dich«, fuhr ich fort. »Wenn du Scheiben zertrümmerst, solltest du es nicht am helllichten Tag tun.«
    Seinem Blick nach zu urteilen hatte ich ihn so weit. Gleich würde er gestehen. Und dann würde ich ihm die Reparaturkosten aufs Auge drücken. Ehe er jedoch antworten konnte, landete eine Hand auf meiner Schulter und drückte fest zu.
    »Stuart«, ertönte die unverwechselbare Stimme von Mr. Raiser, dem Schuldirektor. »Was soll das werden?«
    »Ich unterhalte mich«, erwiderte ich.
    »Dasselbe würde ich auch gerne mit dir tun«, meinte Mr. Raiser. »In meinem Büro. Auf geht’s.«
    Und schon war Chester aus dem Schneider. Der selbstgefällige Ausdruck auf seinem Gesicht verriet mir, dass er sich dessen ebenfalls bewusst war. Ich zeigte mit dem Finger auf ihn und warf ihm einen finsteren Blick zu, als wollte ich ihm sagen, dass die Sache noch lange nicht ausgestanden war. Insgeheim wusste ich jedoch, dass ich verloren hatte. Er würde keinen Cent für das Fenster lockermachen. Die Sache war vom Tisch.
    Mit dieser niederschmetternden Erkenntnis wurde ich in den Verwaltungstrakt bugsiert.
     
    »Stuart«, setzte Rektor Raiser an, nachdem er die Bürotür hinter uns geschlossen hatte. »Wir sind eine Schule mit christlicher Ausrichtung. Weißt du, was das heißt?«
    »Klar«, antwortete ich. »Keine Evolutionstheorie im Biounterricht.«
    »Es ist weit mehr als nur das«, sagte er mit einem eisigen Blick über seine aneinandergelegten Fingerspitzen, die ein steiles Dach bildeten. »Es bedeutet vielmehr, dass sich diese Schule einem moralischen Ansatz verschrieben hat, den die meisten öffentlichen Schulen vermissen lassen.«
    »Dessen bin ich mir durchaus bewusst«, erwiderte ich altklug.
    »Das will ich auch hoffen«, meinte Mr. Raiser. »Eine Schule, die den Moralvorstellungen des Allmächtigen folgt, kann es unmöglich tolerieren, wenn sich Schüler darüber hinwegsetzen.«
    »Und was hat das alles mit mir zu tun?«, fragte ich und tat, als hätte ich keinen blassen Schimmer.
    »Uns ist zu Ohren gekommen«, sagte Mr. Raiser, »dass du gestern dabei erwischt worden bist, wie du einen … unmoralischen Akt begangen hast.«
    »Was genau wird mir denn vorgeworfen?«, erkundigte ich mich. Wenn ich schon verhört wurde, dann wollte ich wenigstens, dass es auch für mein Gegenüber möglichst unangenehm war.
    »Eine Sünde des Fleisches«, antwortete Mr. Raiser mit hochrotem Kopf.
    »Sie meinen Völlerei?«, fragte ich und gab mich weiterhin unschuldig und ahnungslos.
    »Eine sexuelle Sünde«, erklärte Mr. Raiser. »Du hast dich an unsittlichen Stellen selbst berührt.«
    »Ich verstehe nicht ganz«, sagte ich. »Welche Teile meines Körpers sind denn unsittlich?«
    »Dein Penis!«, entgegnete Mr. Raiser, dessen Verlegenheit jetzt in Wut umschlug. »Du bist dabei beobachtet worden, wie du deinen Penis berührt hast. Das ist eine Sünde, Stuart.«
    »Nein, ist es nicht«, verteidigte ich mich. »Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass …«
    »Es reicht!«, unterbrach Mr. Raiser mich. »Noch ein Wort, und ich erteile dir einen Schulverweis.«
    Mir blieb der Mund offen stehen. Meinte er es ernst?
    »Fest steht«, fuhr er fort, »dass du den Rest des Monats nachsitzen wirst.«
    »Wie bitte?«, rief ich. »Ich war doch nicht einmal in der Schule, als …«
    »Du gibst es also zu?«, fuhr er erneut dazwischen. »Stuart, ich bin verpflichtet, dafür Sorge zu
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