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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel
Autoren: Timothy Carter
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konnte. Kein Tee und/oder Kaffee auf dem Couchtisch, nirgends ein Hinweis auf Plätzchen oder Kuchen. Mit anderen Worten: Es handelte sich hier nicht um einen Plausch unter alten Freunden.
    »Setz dich«, befahl mir meine Mutter.
    Erst jetzt fiel mir auf, dass man mir einen Küchenstuhl hingestellt hatte. Wie zuvorkommend. Als ich Platz nahm, merkte ich, dass ich einem Halbkreis von vernichtenden Blicken gegenübersaß. Der Stuhl stand nicht zufällig an ebendieser Stelle. Die Tatsache, dass alles penibel vorbereitet war, fand ich schon ziemlich unheimlich.
    Nicht, dass ich ihnen einen Vorwurf machen konnte. Schließlich findet man nicht jeden Tag heraus, dass der eigene Sohn Dämonen heraufbeschwört. Irgendwie musste mir ein Fehler unterlaufen sein. Vielleicht hatte ich meinen Computer angelassen und vergessen, die Filmdateien zu schließen. Ich konnte nur raten, wie es sich abgespielt haben musste. Wahrscheinlich hatte mein Bruder sich in mein Zimmer geschlichen, Fon Pyre auf dem Monitor entdeckt und sich die kleine Lunge aus dem Leib geschrien. Daraufhin war sicher Mom hereingestürzt, hatte sich meinen Film angesehen und die Panikattacke des Jahrhunderts bekommen. Und voilá : Sie hatte den Krisenstab einberufen.
    »Wir wissen, was du tust«, meldete sich Mrs. Farmson zu Wort. Ich wäre jede Wette eingegangen, dass sie darum geknobelt hatten, wer das sagen durfte.
    »Was meinen Sie damit?«, fragte ich mit unschuldiger Miene. Ich hatte beschlossen, mich dumm zu stellen und herauszufinden, wie viel sie gesehen hatten. »Geht es darum, dass ich die Messe geschwänzt habe?«
    »Darüber sind wir alles andere als begeistert«, sagte meine Mom, »aber das steht hier nicht zur Debatte.«
    »Dann nehme ich an, dass Mrs. Farmson dir von dem Typen erzählt hat, den ich geküsst habe«, sagte ich. »Aber habe ich dir nicht vor zwei Jahren erklärt, dass ich schwul bin?«
    »Auch darum geht es hier nicht«, meinte Mom.
    »Worum dann?«, fragte ich und wartete förmlich darauf, dass sie endlich die Katze aus dem Sack ließen.
    »Dein Bruder … hat heute Morgen etwas beobachtet«, setzte Mom an. »Er hat gesehen, wie du eine schlimme Sünde begangen hast.«
    Ich starrte zehn Sekunden lang in die Runde.
    »Was denn?«, fragte ich schließlich.
    »Weißt du noch, worüber wir heute in der Gruppe gesprochen haben?«, fügte Mrs. Farmson hinzu. »Die Sünde des Onan.«
    »Das ist also der Grund für das Ganze hier?«, fragte ich ungläubig. Deshalb dieser Affentanz?
    »Joshua hat Miss Dunnabler beschrieben, was du ge tan hast«, schaltete sich nun auch Father Reedy ein. »Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass er sich das ausgedacht hat.«
    »Wie hat sie es verkraftet?«, fragte ich.
    »Sie erholt sich langsam davon«, antwortete Father Reedy. »Ich habe ihr gut zugeredet und habe versucht, sie ein bisschen zu beruhigen.«
    Ich konnte nicht anders und musste lächeln. Wenn die Farmsons im Urlaub gewesen waren, hatte Miss Dunnabler den Unterricht in meiner Jugendgruppe übernommen. Und dabei hatte ich sie ziemlich gut kennengelernt: Miss Dunnabler war die Unschuld in Person und hatte keinen blassen Schimmer davon, was tatsächlich in der Welt abging.
    »Das ist alles andere als lustig, junger Mann«, fuhr Mom mich an. »Ich finde dein Benehmen einfach abstoßend.«
    »Warum regt ihr euch eigentlich alle so auf?«, hielt ich dagegen. »Ich nehme keine Drogen, ich trinke nicht, ich habe keinen ungeschützten Sex, und ich habe niemanden umgebracht, verdammt noch mal.« Es war mir unbegreiflich, was das ganze Theater sollte.
    »Ich verbitte mir solche Flüche in Gegenwart eines Geistlichen!«, schimpfte Mom mit mir.
    »Was ich damit sagen will«, versuchte ich es ein weiteres Mal, »ist, dass ich niemandem Schaden zugefügt habe. Was ich getan habe, ist doch nicht schlimm. Es gibt hier kein Opfer zu beklagen oder so etwas.«
    »Doch, das gibt es«, sagte Mrs. Farmson. »Dich.«
    »Wie bitte?«, rief ich. »Wie kann ich mir denn selbst Schaden zugefügt haben?«
    Mein Unbehagen wuchs. Schade eigentlich, denn unter anderen Umständen hätte ich dem Ganzen sogar etwas Unterhaltsames abgewinnen können.
    »Weil es eine Sünde ist«, erklärte Mrs. Farmson. »Du hast dir den Zorn des Allmächtigen zugezogen. Und du weißt genau, was Gott mit Onan getan hat.«
    »Ich bitte Sie, Mrs. Farmson«, ergriff Father Reedy das Wort. »Ich bin überzeugt davon, dass Gott mit Stuart wegen dieser Sache nicht so hart ins Gericht gehen wird.«
    »Aber
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