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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel
Autoren: Timothy Carter
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habe direkt nach der Sonntagsschule ein paar Antworten zu diesem Thema eingeholt«, erklärte ich ihm. »Fon Pyre meinte, es wäre in Ordnung.«
    »Du und ich, wir wissen das, und dein Dämonenfreund weiß es auch«, fuhr Father Reedy fort. »Die meisten Gemeindemitglieder sehen das leider anders. Allen voran Mrs. Farmson, dicht gefolgt von deiner Mutter. Eine Kleinstadt wie diese ist kein sonderlich guter Ort, um als Sünder abgestempelt zu werden, Stuart. Das könnte ziemlich hässlich für dich werden.«
    »Meinen Sie wirklich?«, fragte ich. »Als ich mich geoutet habe, war das doch auch kein Problem.«
    »Das stimmt, Stuart«, antwortete er, »aber jetzt liegt der Fall anders, das spüre ich. Als ich heute Morgen aufgewacht bin, hatte ich den dringenden Wunsch, über Onan zu predigen. Ich habe mich trotzdem dazu entschieden, bei meiner ursprünglichen Predigt zu bleiben. Aber mittlerweile habe ich erfahren, dass sämtliche Lehrer der Sonntagsschule, deine Schwester und Mrs. Farmson eingeschlossen, heute die Parabel mit Onan durchgenommen haben. Ich glaube nicht an Zufälle, Stuart.«
    »Denken Sie, Gott hat es ihnen befohlen?«
    »Nein«, sagte Reedy. »Es könnte auch etwas anderes gewesen sein. Der Vorfall dürfte bald in der gesamten Gemeinde die Runde machen. Etwas hat sie aufgehetzt, Stuart.«
    »Sie meinen …« Ich zeigte nach unten.
    »Könnte sein«, entgegnete Reedy. »Ich wollte dir bloß sagen, dass das, was du getan hast, in Ordnung und etwas vollkommen Natürliches ist – aber dass der Rest von Ice Lake das leider vollkommen anders sehen dürfte. Versprich mir, auf dich aufzupassen. Sollte es Probleme geben, steht dir meine Tür immer offen.«
    »Probleme?«, fragte ich. »Was meinen Sie damit?«
    Wie aufs Stichwort zersprang das Wohnzimmerfenster in tausend Scherben. Reedy und ich rissen zum Schutz die Hände vor die Gesichter. Als wir wenig später die Augen öffneten, entdeckten wir auf dem Boden einen Ziegelstein mit einem Zettel. Es stand nur ein Wort darauf:
    Wichser!
    »Solche Probleme meinte ich«, seufzte Father Reedy.

 
     
     
     
     
     

     
     
    Die Vorstellung, am Montag wieder in die Schule gehen zu müssen, war alles andere als prickelnd. Der Gedanke daran, Schülern und Lehrern über den Weg zu laufen, die mein »schmutziges Geheimnis« kannten, klang so spaßig, wie Chilisoße statt Augentropfen zu nehmen.
    Doch es half nichts: Mom bestand darauf. Sie setzte sich sogar über Father Reedys Sorgen um meine – physische und psychische – Sicherheit hinweg und machte allen Beteiligten klar, dass sie kein Wort mehr über den Vorfall hören wollte. Da sie uns selbst dann zwang, zur Schule zu gehen, wenn die Stadt so gut wie eingeschneit war, über raschte mich ihr harter Kurs nicht sonderlich. Vermutlich dachte sie, dass es mir recht geschähe, wenn ich von den anderen verspottet und schief angesehen würde.
    »Dies«, hatte sie gestern mit dem Ziegelstein in der Hand erklärt, »ist eine Botschaft Gottes.«
    »Ich denke, es ist in erster Linie ein Ziegelstein«, hatte Father Reedy dagegengehalten.
    »Nein, er stammt direkt von Gott«, hatte meine Mutter an ihrer Meinung festgehalten, »der uns durch diese Hooligans, die ihn geworfen haben, wissen lassen will, dass er uns grollt.«
    Ernsthaft, sie benutzte tatsächlich das Wort »Hooligans«.
    Nachdem sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte, erklärte sie mir, dass ich einen Monat lang Hausarrest hätte. Anschließend eröffnete sie mir, dass ich die Reparatur des Wohnzimmerfensters von meinem Taschengeld abstottern müsste. Autsch, dachte ich. Ich bekam nur zehn Dollar die Woche. Ich versuchte auszurechnen, wie viele Monate ich nicht flüssig sein würde, und kam auf mindestens fünf.
    Einen Monat Hausarrest, kein Taschengeld und eine ganze Stadt, die wusste, was ich in meiner Freizeit tat. Das einzig Positive an der ganzen Situation war, dass ich wusste, wer den Stein geworfen hatte.
    »Chester«, sagte ich, als ich ihn an seinem Spind abfing. »Kann es sein, dass du etwas zu beichten hast?«
    »Dir bestimmt nicht«, antwortete er, ohne den Blick von seinen Schulbüchern zu heben, die er gerade sortierte.
    »Dies kommt dir also nicht irgendwie bekannt vor?«, fragte ich und ließ das Beweisstück auf seinen Fuß fallen. Sein Jaulen war wie Musik in meinen Ohren. Endlich hatte ich seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
    »Was?«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    »An dem Ziegelstein«, sagte ich, »war ein
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