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Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus
Autoren: Petra Schier
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Prolog
    Sie blieb stehen und versuchte tief durchzuatmen. Die Sonne brannte schon seit den frühen Morgenstunden unbarmerzig auf die Dächer Kölns herab. In den engen Gassen staute sich heiße Luft, die sich mit dem Gestank der Abfälle in den Rinnsteinen und dem Duft von frisch gebratenen Zwiebeln und gekochtem Kohl mischte. Schweiß stand ihr auf der Stirn, den sie immer wieder mit dem Ärmel ihres Kleides wegwischte. Der Korb an ihrem Arm schien immer unhandlicher zu werden, obwohl er nicht wirklich schwer war. Dennoch stapfte sie tapfer weiter.
    An der Kreuzung zu einer weiteren Gasse, die der vorherigen glich, blieb sie erneut stehen. Ihr Rücken begann zu schmerzen, und das Kind in ihrem Leib bewegte sich unruhig. Sie wusste, dass es unvernünftig war, so kurz vor der Niederkunft derart weite Strecken zu laufen, noch dazu ganz allein. Aber wie sonst sollte sie ihren Mann bei der täglichen harten Arbeit unterstützen? Sie besaß ja nicht einmal eine Magd, die ihr die schweren Arbeiten hätte abnehmen können. Er hatte es selbst erledigen wollen aus Rücksicht auf ihren Zustand, aber sie hatte ihn beruhigt und ihm versprochen, langsam zu gehen und Pausen einzulegen.
    Jetzt, um die Mittagszeit, waren die Straßen und Gassen wie leer gefegt. Die Menschen hatten sich in ihre Häuser zurückgezogen. Auch die Bettler und das unehrliche Gelichter waren für eine Weile von der Bildfläche verschwunden. Vermutlich hatten sie sich irgendwo verkrochen. So gab es weder Gedränge auf den Plätzen, noch lief sie Gefahr, belästigt zu werden.
    Fast hatte sie die Judengasse erreicht. Von dort aus wares nicht mehr weit. Der Gedanke beflügelte ihre Schritte. Sie wechselte den Korb vom rechten Arm auf den linken und überlegte, ob sie auf dem Rückweg einen Bogen über den Fischmarkt machen sollte. Vielleicht ergatterte sie ein wenig billigen Lachs fürs Abendbrot.
    Plötzlich hielt sie inne und verlangsamte ihre Schritte. War da hinter ihr ein Geräusch gewesen? Sie blickte über ihre Schulter zurück und erschrak, als sie den Mann dicht hinter sich stehen sah. Er grinste sie verschlagen an – kannte sie ihn irgendwoher?
    Und dann tauchte wie aus dem Nichts ein zweiter Mann auf, der ein Messer in der Hand hatte. Auch er lächelte heimtückisch.
    Bevor sie auch nur Luft holen konnte, packten die beiden sie, hielten ihr den Mund zu, sodass sie nicht schreien konnte, und schleppten sie in den Eingang eines Hauses.
    Ihr Herz pochte wild vor Schreck und Furcht. Sie wehrte sich, trat um sich und wollte einem der beiden Angreifer gerade in die Hand beißen, als etwas hart gegen ihren Hinterkopf krachte. Sie spürte den heftigen Schmerz und dann … nichts mehr.

1
    «Gottlob sind wir wieder hier.» Adelina ließ sich erschöpft auf die Ofenbank in ihrer Küche sinken und lockerte mit den Fingerspitzen ihre Haube. «Bei diesem Wetter ist das Reisen geradezu eine Strafe.» Mit halbgeschlossenen Augen beobachtete sie ihren hünenhaften Knecht Ludowig, der eine schwere Reisetruhe an der geöffneten Küchentür vorbei zur Treppe schleppte.
    Neklas betrat nun ebenfalls die Küche und schenkte sich aus dem Krug, der auf dem langen Eichentisch stand, Wein in einen Zinnbecher. «Reisen kann bei jedem Wetter beschwerlich sein. In deinem Fall jedoch …» Er musterte sie besorgt.
    Sie winkte lächelnd ab. «Mir geht es gut. Ich bin nur müde. Hoffentlich bringt Franziska etwas aus der Garküche mit.» Sie sah sich um. «Wohin ist eigentlich Vitus verschwunden?»
    «In den Garten. Vermutlich sucht er nach Fine. Schließlich hat er die Katze die ganzen acht Wochen über vermisst.» Neklas trank von seinem Wein. «Kortrijk ist ruhiger als Köln, nicht wahr?»
    «Mag sein.» Adelina hob die Schultern. «Ich bin dennoch froh, endlich wieder zu Hause zu sein. Nichts gegen deine Familie, aber …»
    «Sie kann recht anstrengend sein, ich weiß.» Er stellte den leeren Becher auf den Tisch. «Ich gehe hinüber zu Jupp und sehe nach, was es Neues gibt.»
    «Sag Marie, dass ich morgen zu ihr komme. Heute wird es das Beste sein, in der Apotheke nach dem Rechten zu sehen.»
    «Ruh dich doch erst einmal richtig aus.» Streng blickte Neklas sie an.
    «Ja, ja.» Sie scheuchte ihn mit einer Handbewegung hinaus. Nachdem er die Küche verlassen hatte, stand Adelina etwas schwerfällig auf und rieb sich den schmerzenden Rücken. Die mehrtägige Fahrt von Kortrijk nach Köln hatte sie wirklich sehr angestrengt. Aber sie hatte darauf bestanden, jetzt zu reisen,
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