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Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus
Autoren: Petra Schier
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Portion besorgen, denn Ihr wäret gefräßig wie ein … ähm …» Franziskas Gesicht überzog eine feine Röte, als sie sich ihrer ungezogenen Worte bewusst wurde.
    Adelina lachte jedoch nur. «Gefräßig wie ein Wolf? Da hat er gar nicht so unrecht. Bring die Sachen hinein, ich schließe ab und komme nach.» Sie kam jedoch wieder nicht dazu, da plötzlich ein langgezogenes Heulen und dann wildes Bellen erklangen. Im nächsten Moment schoss eine Fellkugel auf Adelina zu. Jaulend und winselnd sprang der kleine Hund an ihr hoch und brachte sich beinahe um vor Freude, seine Herrin wiederzusehen.
    «Moses!» Sie beugte sich zu ihm hinab und ließ es zu, dass der Hund ihr Gesicht und ihre Hände abschleckte. «Wo kommst du denn her? Warst du drüben bei Marie?» Sanft tätschelte sie sein prall gefülltes Bäuchlein. «Anscheinend hat sie gut für dich gesorgt.» Als sie sich wieder aufrichtete, sah sie ihre Nachbarin und gute Freundin Marie Kornbläser mit ausgebreiteten Armen auf sich zukommen. Sie trug ein praktisches braunes Arbeitskleid mit Schürze, da sie wohl bis eben ihrem Gemahl, dem Chirurgen, den alle nur Meister Jupp nannten, in seinem Behandlungsraum geholfen hatte. Ihr hellblondes, fast weißes Haar hatte sie vollständig unter einer mit Blumen bestickten Haube verschwinden lassen.
    «Adelina, wie schön, dass ihr wieder hier seid!», rief sie vergnügt, und ihre hellen Augen blitzten fröhlich. Sie umarmte Adelina herzlich und musterte sie dann eingehend. «Du siehst erschöpft aus. Eine so weite Reise in deinem Zustand ist anstrengend.»
    «Das kannst du laut sagen. Aber wir mussten jetzt reisen. Stell dir vor, wir hätten länger gewartet und das Kind wäre womöglich auf der Fahrt geboren worden. Neklas hatte schon jetzt arge Bedenken, weil die Straßen ja so schlecht sind. Er hat mir meinen Sitzplatz im Wagen mit drei Decken ausgepolstert. Mein Rücken fühlt sich trotzdem an, als habe man mich verprügelt.»
    «Das kann ich mir vorstellen. Aber nun seid ihr wieder hier.» Marie hakte sich bei Adelina unter. «Kann ich dir bei irgendetwas helfen? Ich muss dir unbedingt erzählen, was sich in den letzten beiden Monaten in Köln zugetragen hat. Du wirst es kaum glauben – die Geißler sind durch die Stadt gezogen, mehrmals sogar. Der Stadtrat musste sie mit Waffengewalt vertreiben und hat allen eine schwere Strafe angedroht, die mit ihnen sympathisieren. Gerade in den letzten Tagen brodelt es in Köln mal wieder.»
    «Das ist doch nichts Neues», warf Adelina ein.
    «Vielleicht nicht», gab Marie zu. «Man munkelt, dass der Erzbischof und einige seiner Mitkurfürsten planen, König Wenzel abzusetzen. Stell dir das mal vor …» Während sie weiter munter auf Adelina einredete, lotste sie sie in die Küche, wo sich die beiden Frauen am Tisch niederließen. Adelina lauschte dem Klatsch sehr aufmerksam, damit sie für ihren morgigen ersten Arbeitstag gerüstet war.
    Wenig später stießen auch Neklas und Jupp zu ihnen. Das folgende Abendessen fand in einer vergnügten Runde statt, zu der sich natürlich auch Griet, Vitus und das Gesinde gesellten. Sogar Binah und Malka, Jupps achtjährige rotlockige Zwillingstöchter, durften daran teilnehmen. Sie und Griet steckten tuschelnd die Köpfe zusammen, und Adelina ließ sie gewähren. Obwohl Griet mittlerweile fast zwölf Jahre alt war, gab sie sich gerne mit den jüngeren Mädchen ab. Adelina freute sich, dass ihre ehemals so stille Stieftochter inzwischen viele Freunde gefunden hatte. Nur noch selten schien sie an ihre schlimme Vergangenheit zu denken. Adelina und Neklas taten alles, was möglich war, um die Schrecken ihrer Kindheit verblassen zu lassen, ihr eine glückliche und sichere Zukunft zu bieten.
    Als sich das Gespräch erneut den politischen Entwicklungen in Köln zuwandte, riss sie sich von diesen Gedanken los. Wichtiger war es jetzt, etwas über die allgemeine Stimmungslage in Köln zu erfahren.

2
    «Mutter, wann kommt Mira zurück?», fragte Griet, während sie die winzigen Gewichte der Apothekerwaage polierte.
    Adelina war gerade dabei, die Zutaten für eine Arznei im Mörser zu zerstoßen, die Magister Pierre van Stijn, der Medicus der Universität, bei ihr bestellt hatte. Nachdem vor einem Jahr der alte Magister Arnoldus gestorben war, hatte van Stijn dessen Posten an der Universität nun ganz übernommen. Ihm oblag es seither, neben den medizinischen Vorlesungen die Scholaren ärztlich zu betreuen. Beinahe täglich schickte er einen der
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