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Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus
Autoren: Petra Schier
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Reese senkte die Stimme ein wenig. «Man sagt, Ruprecht von der Pfalz habe die besten Aussichten.» Er wandte sich zum Gehen.
    Adelina eilte zu ihm, um die Tür aufzuhalten. Reese trat auf den Marktplatz, machte jedoch sogleich wieder einen Schritt rückwärts, denn ein Trupp bewaffneter Reiter passierte gerade die Apotheke. Neugierig ging auch Adelina hinaus. Den blauen Mänteln nach handelte es sich um erzbischöfliche Soldaten. An ihrer Spitze ritt ein großer, beleibter Geistlicher im Dominikanerhabit auf einem ebenso stattlichen Rappen, einige weitere Ordensbrüder auf wesentlich kleineren Reittieren folgten dem Trupp. Der Mönch jedoch, der gleich neben dem beeindruckenden Geistlichen ritt, blickte ausgerechnet in diesem Moment zu ihr herüber. Adelina zuckte zusammen, als er ihr mit einem feinen Lächeln zunickte. Dann beugte er sich zu dem Priester hinüber und flüsterte ihm etwas zu, woraufhin dieser sich zu Adelina umdrehte und sie einen Augenblick lang anstarrte.
    Sie schauderte aus einem unerfindlichen Grund; das feiste, ungewöhnlich braunhäutige Gesicht des Geistlichenhatte zwar keinerlei Regung gezeigt, dennoch hatte sie den Eindruck, er habe sich ihre Züge während dieses kurzen Moments genau eingeprägt.
    Energisch räusperte sie sich und rieb sich über die Oberarme. «Bruder Thomasius.»
    Reese blickte sich zu ihr um. «In der Tat, das habt Ihr richtig erkannt. Seit er das Predigen des Jüngsten Gerichts aufgegeben hat, taucht er immer öfter in Vater Emilianus’ Gesellschaft auf.»
    «Ich habe ihn schon sehr lange nicht mehr gesehen», sagte Adelina. «Wer ist dieser Vater Emilianus?»
    «Ein Gefolgsmann und enger Vertrauter des Erzbischofs», erklärte Reese. «Er scheint auf dem Weg zum Rathaus zu sein. Entschuldigt mich, ich denke, es wäre besser, wenn auch ich mich sogleich dorthin begebe.» Er nickte ihr freundlich zu und humpelte in Richtung der Judengasse, in der sich das Rathaus der Stadt Köln befand.
    Einen Moment lang blieb Adelina noch vor ihrer Apotheke stehen. Bruder Thomasius trieb sich jetzt also bei den erzbischöflichen Gefolgsleuten herum. Kurz nachdem sie Neklas geheiratet hatte, war der hagere Dominikanermönch in Köln aufgetaucht und hatte begonnen, Unfrieden zu stiften. Er kannte manch dunkle Kapitel aus Neklas’ Vergangenheit, ja, war sogar in einige davon selbst verwickelt gewesen. Außerdem besaß er ein ausgesprochen sauertöpfisches Wesen und bemühte sich redlich, den Menschen das Leben schwerzumachen. Lange Zeit hatte er Neklas mit seinen Verdächtigungen verfolgt und gleichzeitig auf den Plätzen und in den Gassen Kölns von der Sündhaftigkeit der Menschen und Gottes Zorn gepredigt, der die Menschen niederschmettern würde. Seit jenem Sommer vor drei Jahren, als er ihnen geholfen hatte, Griet aus den Fängen eines habgierigen Entführers zu befreien, hatte sein beständiges Hetzen nachgelassen. Seit einigen Monaten hatte Adelinanichts mehr von ihm gehört und schon vermutet, dass er die Stadt verlassen habe. Offenbar hatte sie sich geirrt. Wenn Neklas am Abend von seinen Patientenbesuchen heimkehrte, würde sie ihm sofort berichten, was sie soeben erfahren hatte.
    Langsam ging sie zurück in ihre Apotheke und kümmerte sich wieder um die Herstellung der Gicht-Salbe. Dabei lauschte sie mit einem Ohr den Geräuschen, die aus dem hinteren Teil des Hauses kamen. Sie vernahm das Lachen ihres dreijährigen Sohnes Colin, fröhliches Hundegebell und die mahnende Stimme ihrer Magd Franziska. Mit einem kurzen Blick ins Hinterzimmer überzeugte sie sich, dass Griet noch immer auf die Apparatur achtgab, mit der sie derzeit Aqua Ardens herstellten – Weingeist, den sie verschiedenen Arzneien zusetzten.
    Zufrieden kratzte Adelina die nun zerkleinerten Ingredienzien aus dem Mörser in eine kleine Holzschüssel und verrührte alles mit Gänseschmalz. Danach deckte sie die Schüssel ab und stellte sie beiseite.
    Sie dachte gerade, dass heute ein ungewöhnlich ruhiger Freitag sei, als die Tür aufgestoßen wurde und Meister Jupp die Apotheke betrat. «Adelina? Wärest du so gut, kurz mit nach nebenan zu kommen? Einer meiner Gesellen hat auf der Straße eine junge schwangere Frau aufgelesen, die gestürzt ist. Sie ist nicht schwer verletzt, musste sich jedoch schon zweimal übergeben. Vielleicht hast du eine Arznei für sie?»
    «Aber ja doch, ich komme sofort.» Adelina nickte ihm zu. «Nur einen Augenblick.»
    Meister Jupp zog sich zurück. Adelina nahm schnell ein paar
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