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Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus
Autoren: Petra Schier
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Meisterin Adelina Burka aus der Apotheke von nebenan. Wie ich hörte, geht es Euch nicht gut, deshalb habe ich ein paar Kräuter und Arzneien mitgebracht …»
    «Oh, das ist doch nicht nötig», wehrte die Schwangere ab. «Ich habe dem guten Meister Jupp schon gesagt, dass ich nicht viel Geld habe und mir teure Arznei gar nicht leisten kann.»
    «Frau Katharina wohnt unten am Mühlenbach beim Filzengraben», erklärte Marie. «Ihr Mann ist Schuhmacher.»
    «Mein Friedel flickt die Schuhe für die Arbeiter an der Dombaustelle», berichtigte Frau Katharina.
    Adelina verstand. Ein Flickschuster hatte meist kaum ein höheres Einkommen als ein Tagelöhner, doch das hatte sie bereits geahnt, als sie das abgetragene Kleid der Frau gesehen hatte. Ihr dunkelblondes Haar steckte unter einer einfachen kopftuchähnlichen Haube, die an den Rändern schon ein wenig ausgefranst war.
    Aufmunternd lächelte sie ihr zu. «Wenn Euer Gemahl bereit wäre, auch das eine oder andere Paar Schuhe aus meinem Haushalt herzurichten, braucht Ihr Euch um die Bezahlung keine Gedanken zu machen.»
    Frau Katharinas Miene entspannte sich, und sie nickte zögernd. «Das wäre wohl möglich, Frau Meisterin. Vielen Dank.»
    «Dann erzählt mir nun, was Euch geschehen ist.»

3
    Sorgenvoll blickte Adelina aus dem Fenster ihrer Schlafkammer hinaus auf den Alter Markt. Es war bereits dunkel, in weniger als einer Stunde würde die Glocke von Groß St. Martin die Mitternacht verkünden. Hinter ihr war Neklas gerade dabei, sich zu entkleiden. Sie hörte, wie das Bettgestell knarrte und die Decken raschelten.
    «Willst du nicht zu Bett gehen?», fragte er ruhig.
    Langsam drehte sie sich um. «Wie soll ich schlafen können, wenn solch schlimme Dinge in Köln geschehen?»
    «Schlimme Dinge passieren fast täglich, Adelina.»
    «Aber nicht so etwas!», brauste sie auf, senkte ihre Stimme jedoch gleich wieder. «Ich konnte kaum glauben, was diese Frau uns heute Nachmittag erzählt hat. Knochen, Neklas! Man hat die Gebeine von Verstorbenen gestohlen – aus einem Beinhaus! Hast du so etwas schon jemals gehört?»
    Neklas schüttelte mit ernster Miene den Kopf. «Nein, habe ich nicht. Jedenfalls nicht hier in Köln.»
    «Es wäre gar nicht aufgefallen, wenn die Totengräber nicht den Auftrag erhalten hätten, das Beinhaus in der Rheingasse zu schließen, weil es voll war», fuhr Adelina empört fort, dann stockte sie. «Was soll das heißen, nicht hier in Köln?»
    Seufzend streckte Neklas sich auf seiner Matratze aus und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. «Du weißt, dass ich auf meinen Reisen einiges erlebt habe. In Italien gab es damals so eine Sekte von Teufelsanbetern, die angeblich die Knochen von Selbstmördern, die in ungeweihterErde bestattet worden waren, für ihre Kulthandlungen benutzt haben.»
    «Wie abscheulich!»
    «Da stimme ich dir zu.»
    «Glaubst du, dies hier waren auch solche … Teufelsanbeter?» Rasch bekreuzigte sie sich.
    Neklas schüttelte erneut den Kopf. «Das ist nicht möglich. Die Anhänger jener Sekte wurden damals samt und sonders verbrannt. Nicht einer von ihnen ist mit dem Leben davongekommen.»
    Adelina schauderte. «Ich mag mir gar nicht vorstellen, was jetzt mit den Gebeinen geschieht. Und wie sich die Angehörigen erst fühlen müssen. Es ist einfach schrecklich.» Nun ging sie doch zum Bett, setzte sich auf die Kante und begann, ihre Schuhe aufzuschnüren. Da sie mittlerweile schon recht unförmig war, ächzte sie ungehalten.
    «Warte, ich helfe dir.» Neklas sprang auf und ging um das Bett herum, hockte sich vor sie und nestelte an der Verschnürung ihres linken Schuhs.
    Sie streifte ihn ab und wartete, bis Neklas auch den rechten Schuh geöffnet hatte. Bevor sie damit beginnen konnte, hatte er sich bereits neben sie gesetzt, löste die Schnüre und Haken ihres Kleides, streifte es ihr von den Schultern und fuhr sanft und fest zugleich über ihre verhärteten Nackenmuskeln.
    Wohlig seufzend ließ sie ihn gewähren. «Es muss ein riesiges Aufsehen in der Rheingasse gegeben haben», erzählte sie, was sie von der Gattin des Flickschusters gehört hatte. «Die Menschen sind sogar vom Heumarkt aus hingeströmt. Deshalb ist Frau Katharina auch in dem Gedränge gestürzt und hat sich die Hände und beide Knie aufgeschlagen. Gottlob war Jupps Geselle Cristof in der Nähe und konnte ihr helfen.»
    Neklas grinste. «Dithmar und Cristof ziehen doch tagtäglich durch die Straßen auf der Suche nach Verwundeten und
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