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Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus
Autoren: Petra Schier
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Gefäße sowie ein Leinenbeutelchen aus dem Regal. Sie packte alles in einen kleinen Weidenkorb und rief Griet herbei. «Bring dies nach nebenan zu Meister Jupp, ich komme sofort nach.»
    Das Mädchen gehorchte, während Adelina rasch durchs Hinterzimmer in den Wohnbereich des Hauses ging und nach Magda rief. Statt ihrer kam jedoch Franziska aus der Küche, den fröhlich krähenden Colin an der Hand. «Ja, Herrin, was gibt es? Magda ist draußen im Garten. Soll ich sie holen?»
    «Mama! Wir spielen mit Moses Fangen. Komm gucken!» Mit einem freudigen Lachen hob Colin die Ärmchen in die Höhe, sein Zeichen, dass er auf den Arm genommen werden wollte. Doch Adelina schüttelte den Kopf. «Nicht jetzt, Colin. Ich bin beschäftigt.» Sie wandte sich an die Magd. «Hab bitte ein Auge auf die Apotheke. Ich muss kurz hinüber zu Meister Jupp und einer Schwangeren helfen, der es nicht gutgeht. Griet nehme ich mit.»
    «Aber sicher doch, ich passe schon auf.» Franziska nahm nun ihrerseits Colin auf die Hüfte. «Kommt, junger Herr, wir bewachen die Apotheke Eurer Frau Mutter», sagte sie in soldatischem Ton, der Colin zu gefallen schien, denn er klatschte begeistert in die Hände. «Ich bin ein Ritter und du das Pferdchen», krähte er, während er auf ihrer Hüfte herumruckelte. «Hopp, hopp, hü!»
    Franziska lachte und ging hinter Adelina in die Apotheke, wo sie sich mit dem Jungen auf einen Hocker setzte und ihn auf ihren Knien reiten ließ.
    Adelina beeilte sich, in das Nebengebäude zu gehen, das an ihrem eigenen Haus klebte wie ein siamesischer Zwilling. Vor Jahren hatte Neklas es einem Ratsherrn abgekauft und sich im Untergeschoss Behandlungsräume eingerichtet, die er sich mit dem Chirurgen teilte. Im Obergeschoss hatten sie mehrere Durchbrüche gemacht, um für ihre wachsende Familie und das Gesinde ausreichend Wohnraum zu schaffen.
    Als Adelina Meister Jupps Knochenwerkstatt, wie er seinen Behandlungsraum gerne scherzhaft nannte, betrat,schlug ihr der scharfe Geruch von getrockneten Heilkräutern entgegen, mit denen Jupp und seine Gesellen Umschläge bereiteten. Es roch ähnlich wie in ihrer Apotheke, doch schwebte bei ihr nicht über allem der Geruch von Blut und Eiter.
    In der Mitte des Raums stand der große Behandlungstisch aus Eichenholz, an dessen Seiten mehrere breite Lederfesseln und Gurte befestigt waren, um den Patienten, wenn nötig, zu fixieren oder ruhigzustellen. Auf einem Tisch an der Wand lagen ordentlich sortiert Meister Jupps Instrumente und Werkzeuge, angefangen bei winzigen Nadeln zum Starstechen über verschieden große Schaber, Löffel, Messer und Sägen bis hin zu furchterregend aussehenden Haken und Klemmen. An der Wand über dem Tisch hingen mehrere Zangen zum Zahnreißen. In den Regalen daneben gab es weitere Gerätschaften, über deren Verwendung Adelina lieber nicht zu genau Bescheid wissen wollte. Sie war zwar nicht empfindlich, doch selbst ihr jagten die Schreie, die schon so manches Mal zu ihr herübergeschallt waren, wenn Meister Jupp einen Verunglückten behandelte, einen Schauer über den Rücken.
    Auf einem der Regalbretter stapelten sich Behältnisse für die Kräuter und Verbandmaterial. In einer Ecke des Raumes standen eine Schüssel mit Wasser und eine Karaffe mit Leinöl. Hier reinigten Meister Jupp und seine Gesellen nach getaner Arbeit ihre Hände und ihr Werkzeug. Letzteres wurde nach jeder Behandlung sorgfältig mit dem Öl eingerieben, damit es nicht rostete.
    Der unangenehme Blutgeruch kam jedoch eindeutig von dem Behandlungstisch, der nach nunmehr dreijähriger Benutzung unzählige dunkle Flecken aufwies, die trotz der Reinigungen tief ins Holz eingezogen waren. Eine dunkelrot, fast schwarz geränderte Schüssel, die in einem Fach unter dem Tisch lagerte, machte noch eine weitere Verwendungsartdesselben deutlich: Hier wurde regelmäßig zur Ader gelassen.
    Adelina durchquerte den Raum und ging auf die blasse junge Frau zu, die auf einem Hocker kauerte und von Marie gerade einen Becher Bier gereicht bekam. Meister Jupp stand daneben, Griet hingegen hatte sich mit ihrem Korb in eine Ecke zurückgezogen. Adelina wusste, dass sie sich vor den Werkzeugen in diesem Raum fürchtete. Deshalb hatte sie sie angewiesen, mit ihr zu kommen. Als Apothekerlehrling musste Griet lernen, sich auch mit den Behandlungsmethoden von Badern und Chirurgen vertraut zu machen. Also winkte sie ihrer Stieftochter, näher zu kommen, und sprach dann die junge Frau an. «Guten Tag. Ich bin
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