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Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus
Autoren: Petra Schier
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konnte sich nicht erinnern, dass ihr Lehrmädchen jemals die täglichen, zum Teil sehr langweiligen Pflichten ohne aufzubegehren erledigt hätte. Das ständige Jammern über das schwere, zuweilen unerträgliche Los, das Mira zu tragen habe, war kaum mehr aus dem Alltag wegzudenken.
    Dabei wusste Adelina, dass Mira in Wahrheit nicht nur ein gescheites Mädchen war, sondern die Arbeit in der Apotheke lieben gelernt hatte. Sie war talentiert und wissbegierig. Wenn sie Adelina bei der Zubereitung von schwierigen Rezepturen helfen durfte, war sie stets mit offenen Augen und Ohren dabei. Selten musste Adelina ihr einen Vorgang zweimal erklären. Besonders geschickt stellte Mira sich beim Mischen von Duftölen und -essenzen an. Sie hatte sogar vor einiger Zeit begonnen, damit zu experimentieren,weil sie einer scharf riechenden Salbe einen angenehmeren Duft hatte geben wollen. Das Ergebnis war eine unbrauchbare Pampe gewesen, doch sie hatte sich vorgenommen, weiterzumachen, bis ihr das Experiment eines Tages gelingen würde. Adelina hatte daran erkannt, dass Mira das Herzblut einer Apothekerin besaß.
    Sie war gerade dabei, weitere Arzneien für Magister van Stijn in einen Korb zu packen, als das Glöckchen an der Tür einen Besucher ankündigte. Erstaunt blickte sie auf. «Nanu, Herr Reese, Ihr schon wieder? Habt Ihr gestern etwas vergessen?»
    «O nein, Frau Adelina, das nicht.» Reese stützte sich wie am Vortag schwer auf seinen Gehstock. Auf seiner Stirn standen kleine Schweißtropfen. «Ich war nur gerade auf dem Weg zum Rathaus und dachte, ich sage Euch gleich Bescheid, dann muss ich später keinen Boten schicken.» Er trat näher an den Tresen heran. «Leider habe ich Magister Burka nebenan nicht angetroffen. Wäret Ihr so freundlich, ihm mitzuteilen, dass Rochus van Bause in drei Tagen auf dem Neumarkt hingerichtet wird. Euer Gemahl soll als städtischer Medicus anwesend sein.»
    «Rochus van Bause? Ist das nicht einer der Männer, die damals mit Herrmann von Goch sympathisiert und versucht haben, den neuen Stadtrat zu stürzen?»
    «Genau der.» Reese nickte. «Einer von vielen», setzte er seufzend hinzu. «Zum Glück konnten ihre Pläne rechtzeitig vereitelt werden. Seit von Goch und Hilger Quattermart hingerichtet wurden, scheinen sich die Gemüter langsam wieder zu beruhigen. Van Bause ist einer der letzten Verräter, die noch auf die Vollstreckung des Urteils warten.»
    «Warum soll mein Mann diesmal bei der Hinrichtung dabei sein?», wunderte Adelina sich. «Der Henker ist doch sonst dafür zuständig, den Tod des Verurteilten eindeutig festzustellen.»
    «Das ist er auch in diesem Fall. Doch Magister Burka soll vorher im Gefängnisturm nach dem Rechten sehen und van Bause untersuchen. Der war nämlich krank, müsst Ihr wissen. Es muss sichergestellt sein, dass er kräftig genug für die Urteilsvollstreckung ist.»
    «Aha.» Adelina runzelte die Stirn.
    «Ich weiß, es mag in Euren Ohren überflüssig klingen, einen Delinquenten nur gesund zur Richtbank zu führen. Aber schließlich soll er bei vollen Sinnen sein Urteil entgegennehmen.» Reese zögerte kurz. «Und das ist die zweite Sache. Es kursieren Gerüchte, jemand könnte van Bause heimlich ein Betäubungsmittel zuführen, um ihm seine letzten Stunden zu erleichtern. Das dürfen wir natürlich nicht zulassen, denn eine Milderung ist im Urteil für ihn nicht vorgesehen.»
    «Neklas soll also dafür sorgen, dass der Mann bei wachem Verstand hingerichtet wird.»
    Reese nickte grimmig. «So ist es, meine Liebe. Wäret Ihr also so gut …»
    «Ich sage es ihm.» Adelina blickte den Gewaltrichter aufmerksam an. «Ihr seht krank aus, Herr Reese. Haben Euch die Kräuter keine Linderung verschafft?»
    «Leider nicht, Frau Adelina.» Mit dem Ärmel wischte Reese sich den Schweiß aus dem Gesicht.
    Sie griff in das Fach unter dem Tresen und holte den Salbentiegel hervor. «Möchtet Ihr die Salbe gleich mitnehmen? Ich hätte sonst meinen Knecht zu Euch geschickt.»
    «Danke, das geht schon.» Er nahm den Tiegel entgegen, beäugte ihn kurz und schob ihn dann unter seinen Mantel. Als er sich zur Tür umwandte, schwankte er plötzlich und fluchte leise.
    Alarmiert kam Adelina hinter ihrem Tresen hervor und griff nach seinem Arm. «Was ist mit Euch, Herr Reese? Ist Euch schwindlig?»
    Da Reese nickte, führte sie ihn zu einem ihrer beiden Hocker, dann rief sie nach Franziska und trug ihr auf, sofort Ludowig hereinzuholen.
    «Macht Euch keine Umstände, gute Frau»,
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