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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
Autoren: Eckhard Henscheid
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1941–1951
    Ö ga – Bier!« soll der ein- oder zweijährige Eckhard in heimatlichen Biergärten von Tisch zu Tisch wackelnd gerufen bzw. schon kraftvoll gefordert haben; eine frühe und etwas täppische Leidenschaft, die bis zum ca. 40. Geburtstag stark anhielt, ehe sich diese (sagen wir es etwas deutlicher) Sucht dann immer entschiedener »dem Weine« (Heino Jaeger) zuwandte, um in ihm usw. –
    Essentieller und mir erinnerlicher sind aber noch die drei kindlichen Geschmacks- bzw. Geruchssensationen, die das gewiß nicht arme, jedoch auch nicht allzu privilegierte Kriegskind heimsuchten; abermals und wie beim Bier dergestalt, daß es sich Schöneres nicht mehr zu denken vermochte:
    Erst mit acht Jahren, gegen Ende der ersten Eisenbahnfahrt in des Vaters Heimat, das Rheinland, zum mir in der Folge sehr nahegehenden »alten Vater Rhein« (Robert Schumann), lernte ich im Bahnhof von Godesberg das damals wohl wirklich seltene kohlensäurehaltige Heilquellensprudelwasser kennen und traute, von hochsommerlichem Durst ohnehin halb verschmachtend, angesichts dieser Mundhöhlenpitzeleien meinen Geschmacksknospen oder jedenfalls meinem damals allzu gesunden Menschenverstand nicht mehr. Vorher schon hatte ich, gleichfalls vollends hingerissen, den Geschmack von Kokosnüssen kennengelernt; und wäre dann von der ersten Hl. Kommunion mit Manna-Oblaten sehr enttäuscht gewesen, hätte ich nicht als überbegabtes Kind den Schwindel von wegen sinnlich/übersinnlich bereits ziemlich durchschaut gehabt.
    Und hatte aber damals etwa gleichzeitig auch noch die gleichfalls recht seltene Orange geschmeckt bzw. in der davon richtiggehend betäubten Nase erduftet.
    Kein Wunder, daß mir gut zehn Jahre später die Textstelle »Siente, siè ’sti sciure arance, nu profumo accussi fino« aus der neapolitanischen Canzone »Torna a Surriento«, also der Preis des Orangenduftes, immer besonders heftig, ja von Haus auf einleuchtete.
    *
    Die Sprache von Babyfotos, allesamt natürlich noch einheitlich schwarzweiß:
    1. Ein rundherum heiterster, vor Lachen tendenziell berstender Kugelkopf ohnegleichen des vielleicht neun Wochen alten Buben. Den konnte der Frohsinn nie ganz verlassen.
    2. Der noch immer restlos haarfreie und noch gewaltiger ausladende Rundkopf des knapp Einjährigen gottselig auf den Armen der Mutter: Eigentlich war dieser Kopf doch aber eine Widerlegung der Kulturnation und des Menschengeschlechts.
    3. Wäre da nicht die unwiderstehliche Hose gewesen, die, gemeint eigentlich als Kurzhose, vom Knie bis direkt unter den Hals reichte. Ein klarer Vorab-Konter der späteren Jugendmode, wo die Hose bereits zu tief sitzt und dann möglichst konturlos nach hinten dem Boden entgegen zu hängen kommt.
    4. Wenn ich heute schon mal die Bilanz meines Lebens ziehe, so überragt fast allen späteren Glanz ein Weihnachtsfoto des dem Babyalter lang Entwachsenen, des vielleicht bereits Dreijährigen; der da mit angespannter Miene auch schon zu lesen versteht, nämlich in einem Bilderbuch »Kikeriki« über seinen Freund, den Gockelhahn. Mit dem Blick, der deutlich besagt, so was Schönes dürfe es doch gar nicht geben.
    Meine frühe Maler- und die viel spätere literarische Begabung waren da schon unverhinderbar und nicht mehr aufzuhalten.
    *
    »Wer ist stärker, Löwe oder Tiger?«
    Wenn meine Mutter Glück hatte, dann hörte sie auf ihre Antwort (»Löwe bzw. »Tiger«) die heftig kopfnickend einverständige Antwort des ca. Vierjährigen:
    »Isaa!« Meint: Ist auch, ist richtig.
    Hatte sie weniger Glück, kriegte sie bei der Antwort »Löwe« ein triumphal rechthaberisches »Nein, Tiger!« zu hören. Und genauso penetrant umgekehrt, natürlich, je nach Bedarf.
    Zu vermuten steht, daß sich aus diesem frühen Widerspruchs- und Rechthabergeist bereits so onto- wie phylogenetisch meine spätere Existenz als widerborstiger Kritiker, Satiriker, als humoristischer Romancier herschreibt. Das Konziliante war mir wohl mein ganzes Leben auch nicht fremd; das affirmativ Akzeptanzfreudige und seelenruhig mit Gott und Welt Einverständige weniger, fast nie gegeben.
    *
    Hitlers Hinschied am 30.4.1945 kurz vor halb vier Uhr sah mich als 3,5jähriger noch kaum auf dem Posten. Allerdings, etwa ein halbes Jahr früher hißte ich zusammen mit meiner Mutter für irgendeinen Parteistraßenumzug noch recht überzeugt eine Hakenkreuzfahne; in jenem noch im Jahr 2010 existenten Schaft am Schlafzimmerfenster, der später auch für die schönen junigelben Wimpel des
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