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Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus
Autoren: Petra Schier
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Ich werde wieder zurückgehen. Wenn ich mich verstecke, sieht das aus, als hätte ich etwas zu verbergen.»
    «Aber …»
    «Adelina, ich bin zu alt, um mit dem Schicksal zu hadern. Wenn sie mir etwas anhängen wollen, kann ich nichts dagegen tun. Ich bin mir jedoch ziemlich sicher, dass dem Erzbischof nicht daran gelegen sein kann, eine alte Frau zum Sündenbock zu machen. Nicht in einer solch heiklen Angelegenheit.»
    ***
    Adelina dachte noch eine ganze Weile über Ludmillas Worte nach. Sie hoffte, die alte Frau würde recht behalten. Dass aber Thomasius, der seine Schwester und vor allem deren Lebenswandel aus tiefstem Herzen verabscheute, den weiten Weg vor die Stadttore auf sich genommen hatte, um sie vor den Häschern des Erzbischofs zu warnen, konnte sie fast nicht glauben. Sollte er sich in den letzten drei Jahrentatsächlich so verändert und sich womöglich seines mitfühlenden Herzens erinnert haben?
    Während sie überlegte, welche anderen Gründe den Dominikaner noch zu seinem merkwürdigen Verhalten getrieben haben mochten, hörte sie aus dem unteren Stockwerk Franziskas und Magdas aufgeregte Stimmen und dann Colins Protestgeschrei. Erschrocken strich sie ihr Kleid glatt und überprüfte rasch den Sitz ihrer Haube, dann eilte sie die Stiege hinunter, um der Ursache für den Tumult auf den Grund zu gehen.
    Der Aufruhr kam aus der Apotheke, die sie wegen Ludmillas Besuch für den Vormittag geschlossen hatte. Die Mädchen hatte sie in Begleitung von Ludowig an den Hafen geschickt, um bei einem Fernhändler die Zutaten für Malerfarben abzuholen, die sie vor einiger Zeit bestellt hatte.
    «Ihr könnt hier nicht einfach so hereinplatzen», hörte Adelina Franziska schimpfen. «Der Herr Magister ist heute den ganzen Tag unterwegs und …»
    «Er ist also nicht hier?», wurde sie von einer Männerstimme unterbrochen. «Das hätte ich mir ja denken können. Dann holt mir die Meisterin her. Ich habe mit ihr zu reden.»
    Adelina blieb überrascht in der Kammer hinter der Apotheke stehen. Die Stimme gehörte unverkennbar Tilmann Greverode, dem Hauptmann der Stadtsoldaten. Ehe sie sich fragen konnte, was er wohl hier zu suchen hatte, wurde die Tür geöffnet, und Magda wäre beinahe gegen sie geprallt. «Ach, Herrin, da seid Ihr ja. Hauptmann Greverode fragt nach Euch. Er …»
    «Ich habe es schon gehört», sagte Adelina. «Geh ruhig wieder an deine Arbeit.»
    Magda nickte, konnte sich ein abfälliges Schnauben jedoch nicht verkneifen. «Stürmt hier herein wie der Leibhaftige, als hätten wir etwas verbrochen!»
    Adelinas Herzschlag beschleunigte sich für einen kurzen Moment, doch sofort hatte sie sich wieder im Griff. Ganz gleich, was Greverode hier wollte, sie war sich keines Vergehens bewusst.
    Sie ging in die Apotheke und trat dem Hauptmann entgegen. Er war ein hochgewachsener schlanker Mann mit dunklem Haar, das er zu einem glatten Zopf gebunden trug, einem kantigen Gesicht und kühlen blauen Augen, die sie nun musterten.
    Beim Anblick ihres gewölbten Leibes zuckte sein Kinn kurz, und Adelina hatte für einen Moment den Eindruck, er wolle etwas sagen, aber er schwieg.
    Ungehalten blickte Adelina auf Franziska, die den schreienden Colin auf dem Arm trug und versuchte, ihn zu beruhigen, und gleichzeitig dem Hauptmann giftige Blicke zuwarf. «Was geht hier vor? Franziska, bring Colin hinaus, sonst schreit er noch den ganzen Marktplatz zusammen.»
    Franziska nickte. «Sofort, Herrin. Aber es ist nur recht, dass Colin so schreit. Er wollte mich, glaube ich, vor dem Hauptmann beschützen, weil der so ungehobelt in die Apotheke gepoltert ist, ohne vorher zu fragen.» Wieder traf Greverode ein wütender Blick der Magd. «Der Junge ist zwar erst drei Jahre alt, aber er weiß schon genau die Guten von den Bösen zu unterscheiden.»
    «Freches Weib!», zischte Greverode aufgebracht. Dann wandte er sich an Adelina. «Lasst Ihr es etwa zu, dass Euer Gesinde in diesem Ton mit mir spricht?»
    Adelina blickte abschätzend zwischen Greverode, Franziska und Colin hin und her. Sie schüttelte den Kopf. «Geh hinaus, Franziska.» Ihr Ton war eine Spur schärfer geworden. Sofort zog sich die junge Magd zurück. Auffordernd blickte Adelina Greverode ins Gesicht. «Nun, weshalb wolltet Ihr mich sprechen?»
    «Ich …» Greverode wandte sich kurz um, und als Adelinaseinem Blick folgte, erkannte sie durch die offen stehende Haustür, dass draußen zwei weitere Soldaten warteten. «Wir sind auf der Suche nach einer Frau namens
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