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Palazzo der Lüste

Palazzo der Lüste

Titel: Palazzo der Lüste
Autoren: Isabell Alberti
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Kapitel 1
Es ist eines jener Restaurants, wie sie überall auf alten Bauernhöfen aus dem Boden schießen, um den Gästen eine Illusion vom fröhlichen Landleben und gesundem Essen vorzugaukeln, dachte Cecilia, als sie auf der Straße das hell erleuchtete Schild entdeckte. In altertümlicher Schrift stand dort »Da Riva«. Um den rustikalen Charakter noch zu unterstreichen, befand sich über dem Schild ein kleines Strohdach. Sie setzte den Blinker und bog auf den Parkplatz des Restaurants ein.
     
Immer häufiger wurden Bauernhöfe zu Nobelrestaurants umgestaltet, und ihr Bruder verdiente gut daran. Antonio war Architekt und hatte sich auf den Umbau aufgegebener Bauernhöfe in Wellnessoasen, Nobelrestaurants und Freizeitanlagen spezialisiert. Das »Da Riva« war wahrscheinlich auch einer seiner Streiche, wenn auch nicht sein letzter, sondern das war der Umbau einer Burg zu einem Mittelaltererlebnispark.
     
Das »Da Riva« hielt in Punkto Rustikalität, was das Schild versprochen hatte. Ein Geviert lang gezogener Gebäude aus Feldsteinen unter Schieferdächern bildete den Komplex. Das Restaurant war im ehemaligen Wohnhaus untergebracht. Es war höher als die Scheunen und Ställe, dort gab es Läden für landwirtschaftliche Produkte und Kunstgewerbe, die aber am Abend geschlossen hatten. Der Hof war zum Parkplatz geworden, überall standen protzige Limousinen, viele mit Genueser Kennzeichen. Cecilia kam sich fehl am Platz vor mit ihrem kleinen Fiat. Sie zwängte ihn in die letzte freie Lücke zwischen einem BMW und einem Alfa Romeo und stieg aus.
     
Die Gedanken über das Restaurant, Antonio, seine Arbeit und was sie davon hielt, sollten sie nur von dem ablenken, was sie gleich erwartete. Ihr Bruder würde dort sein und ein Freund, hatte er am Telefon gesagt, ein Künstler, den er bei seiner Arbeit kennengelernt hatte. Er mache fantastische Arbeiten in Stein.
     
Wenn ein Mann fantastische Arbeiten in Stein machte, musste sie ihn interessant finden, so dachte Antonio. Er wollte seine Schwester unbedingt an den Mann bringen. Der Letzte, den er ihr vorgestellt hatte, arbeitete mit Holz und war eine einzige Katastrophe gewesen. Für ihn hatte es nur ein Thema gegeben – nein, eigentlich zwei: er und seine Arbeiten in Holz. Stein war gewichtiger, Cecilia war auf das Schlimmste gefasst. Im Rückspiegel kontrollierte sie ihr dezentes Make-up, strich ihre Augenbrauen glatt und lächelte sich zu.
     
»Einen Abend wirst du überstehen«, sagte sie zu ihrem Spiegelbild. »Antonio macht sich eben Sorgen, weil du mit 26 Jahren noch nicht unter der Haube bist, und ein Essen im »Da Riva« könntest du dir ohne seine Einladung nicht leisten.«
     
Im Haus schlug ihr Wärme, der Geruch nach gutem Essen und Wein entgegen. Der Geruch wurde intensiver, als sie vom breiten Flur in das Restaurant trat. Alle Tische waren besetzt, und die Gespräche der Gäste drangen wie das Summen eines Bienenschwarms an ihr Ohr.
     
Cecilia blieb in der Tür stehen. Sie mochte es nicht, in einem Raum voller Menschen nach jemandem Ausschau zu halten. Die Leute kamen ihr dann immer so gesichtslos vor, und sie hatte stets Sorge, den Gesuchten nicht zu finden.
     
»Cecilia.« Aus dem Gemurmel hörte sie deutlich ihren Namen heraus. »Hier sind wir.«
     
Sie atmete auf.
     
An einem der hinteren Tische winkte Antonio. Erleichtert schlängelte sie sich zwischen den Tischen hindurch.
     
Antonio und sein Freund erhoben sich. Er war einen Kopf größer als ihr Bruder, ganz in Schwarz gekleidet, auch schwarzhaarig, braun gebrannt, hatte ein männliches, markantes Kinn und bemerkenswerte graue Augen. Ein so durchdringender Blick, den er ihr schenkte, war ihr noch nie begegnet. Er schien bis in das Innerste ihrer Seele vorzudringen und sie auszuziehen, ohne dabei obszön zu wirken. Sie fühlte sich vielmehr gestreichelt.
     
Sie umarmte ihren Bruder und küsste ihn auf beide Wangen.
     
»Cecilia, das ist Stefano d´Inzeo«, stellte er seinen Freund vor.
     
»Wie die römische Springreiterfamilie.« Seine Stimme klang dunkel und geheimnisvoll – passte zu seinen Augen. Es kam ihr vor, als glitte ein Seidenschal über ihre Haut. »Soweit ich weiß, bin ich allerdings nicht mit ihnen verwandt.«
     
»Raimondo und Piero d´Inzeo.« Cecilia schenkte ihm ein Lächeln, von dem sie hoffte, dass es bezaubernd und unwiderstehlich war. Dieser Mann, ob er nun in Stein oder Holz arbeitete, war … war … Ihre Knie drohten unter ihr nachzugeben, und sie war froh, dass
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