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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel
Autoren: Timothy Carter
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verrückt?
    »Warum spielt die ganze Stadt verrückt?«, durchbrach ich die Stille.
    »Was sollen sie denn sonst tun?«, erwiderte Tiffany. »Wenn man bedenkt, was du getan hast.«
    »Komm schon«, sagte ich. »Findest du wirklich, dass es eine besonders angemessene oder vernünftige Reaktion ist, was sie hier mit uns machen?«
    »Du hast gesündigt«, ergriff Mom das Wort. »Man erntet, was man sät.«
    »Father Reedy findet nicht, dass ich etwas falsch gemacht habe«, gab ich zurück und spielte damit meine einzige Trumpfkarte aus.
    Mom warf mir einen kühlen Blick zu. Tiffany legte die Gabel beiseite. Josh tat es ihr gleich.
    Ich dachte wirklich, ich hätte sie überzeugt.
    Falsch gedacht.
    »Das hat er niemals gesagt«, meinte Mom.
    »Hat er wohl!«, rief ich. »Als wir uns unterhalten haben, im Wohnzimmer. Kurz bevor …«
    »Father Reedy«, unterbrach Mom mich barsch, »ist ein Mann Gottes. So etwas würde ihm nie und nimmer über die Lippen kommen.«
    Damit war das Gespräch beendet.
     
    Später am Abend saß ich am Küchentisch und brütete über den Hausaufgaben. Mom war der Meinung, sie könne mir nicht vertrauen, wenn ich alleine in meinem Zimmer bliebe. Nichts, was ich sagte, konnte sie umstimmen.
    Ich spielte mit dem Gedanken, Father Reedy anzurufen und ihm zu erzählen, was sich ereignet hatte. Schließlich hatte er mir seine Hilfe angeboten. Er hatte mich zwar gewarnt, dass mir harte Zeiten bevorstünden. Aber ich wette, er hatte nicht damit gerechnet, dass es so schlimm werden würde.
    Just als ich zum Telefon greifen wollte, klingelte es an der Tür. Ich öffnete, in der Hoffnung, es wäre Paul, der sich bei Tiffany entschuldigen wollte. Oder Father Reedy, der nach mir sehen wollte.
    Es war keiner von beiden. Nein, es war die Person, die ich am wenigsten sehen wollte.
    »Chester!«, entfuhr es mir. »Was willst du?«
    Vielleicht war er ja gekommen, um seine Schulden bei mir zu bezahlen? Nein, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen ging es um etwas anderes.
    »Ich weiß nicht, wo ich sonst hinsoll«, sagte er.
    »Was ist denn passiert?«, hörte ich mich fragen. Ich war erstaunt, dass ich offenbar so etwas wie Mitgefühl empfand.
    »Meine Eltern haben meine Pornohefte gefunden«, erklärte er. »Und sie haben mich kurzerhand vor die Tür gesetzt.«
    Oje, dachte ich. Gerade wenn man denkt, dass es nicht schlimmer werden kann, passiert genau das.

 
     
     
     
     
     

     
     
    Ich ließ Chester herein und führte ihn ins Wohnzimmer, wo er auf dem Sofa Platz nahm. Auf der einen Seite wollte ich dem Jungen helfen, auf der anderen war es mir wichtig, dass er sah, was er angerichtet hatte.
    »Tut mir leid«, sagte Chester geknickt, den Blick auf das Fenster gerichtet, das wir notdürftig mit Pappe zugeklebt hatten.
    »Darüber unterhalten wir uns später«, meinte ich. »Du bleibst hier, während ich schnell …«
    »Hallo, Chester«, ertönte die Stimme meiner Mutter, die hinter mir in der Wohnzimmertür stand. »Ich fürchte, Stuart hat Hausarrest und darf zurzeit keinen Besuch empfangen.«
    »Chester ist hier«, erklärte ich ihr, »weil seine Eltern ihn rausgeworfen haben.«
    »Oh«, sagte sie. »Das klingt nicht gut, Chester. Wenn du möchtest, kannst du gerne ein paar Nächte hierbleiben.«
    »Vielen Dank«, antwortete Chester. »Es tut mir leid, ehrlich.« Er deutete auf das Fenster, was meiner Mom jedoch zu entgehen schien.
    »Schon in Ordnung«, gab sie zurück. »Du kannst Stuarts Zimmer haben.«
    »Was?«, rief ich. »Und wo soll ich schlafen?«
    »Du kannst hier im Wohnzimmer übernachten, auf dem Fußboden«, sagte Mom. »Chester, möchtest du etwas essen oder trinken? Stuart bringt dir gerne etwas.«
    »Au ja«, entgegnete Chester und schenkte mir dasselbe überhebliche Lächeln, in dessen Genuss ich bereits am Morgen gekommen war. »Das wäre großartig.«
    »Ich kann ihm ja ein Stück von dem Kuchen holen, den du mir als Nachtisch nicht gegönnt hast«, schlug ich vor und erhob mich, »Chester, warum erzählst du meiner Mom nicht in der Zwischenzeit, warum dich deine Eltern vor die Tür gesetzt haben?«
    Das selbstgefällige Lächeln war wie weggewischt, und Chester wurde mit einem Schlag kreidebleich. Manchmal kann ich echt gemein sein.
    Ich ging in die Küche, wo ich ihm ein Stück Kuchen abschnitt und ein Glas Saft einschenkte. Als ich zurückkam, beendete Chester gerade seine kleine Geschichte. Seine Wangen glühten, wie ich es noch nie bei einem Menschen gesehen hatte, und er
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