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Blutvertrag

Blutvertrag

Titel: Blutvertrag
Autoren: D Koontz
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Schindelwände waren so makellos in Schuss, dass Tim in der nüchternen, klaren Sonne, die für den Mittleren Westen so typisch war, keinerlei abblätternden Lack entdecken konnte, nicht den kleinsten verwitterten Fleck.
    Auf Fotos hatte er das Haus bereits gesehen, aber besucht hatte er es noch nie.
    Er hatte sich in seinen einzigen Anzug und eines der zwei weißen Hemden geworfen, die er besaß. Dazu kam eine neue Krawatte, die er extra für diese Gelegenheit gekauft hatte. Als er aus seinem Mietwagen gestiegen war, rückte er den Krawattenknoten zurecht, bürstete mit den Händen die Vorderseite des Jacketts ab, um Fusseln zu entfernen, falls da welche waren, und inspizierte seine Schuhe, um sich zu vergewissern, dass er sie nicht aufpolieren musste, indem er sie kurz am jeweils anderen Hosenbein rieb.
    Ein netter junger Mann in legerer Kleidung kam aus dem Haus, begleitete ihn auf die vordere Veranda und erkundigte sich, ob er ein Glas Eistee wolle.

    Dann saß Tim in einem hübschen Schaukelstuhl auf der Veranda, in der Hand ein Glas ausgezeichneten Tee.
    Er kam sich groß, unbeholfen und kostümiert vor, aber nicht fehl am Platz.
    Die ganze Veranda war mit Schaukelstühlen, Korbsesseln, Korbsofas und kleinen Korbtischen möbliert. Es wäre genügend Platz für eine Schar von Nachbarn gewesen, die abends von überallher kamen, um sich hier niederzulassen und übers Wetter zu plaudern.
    Sie ließ ihn nicht warten. Als sie kam, trug sie Stiefel, dunkelbraune Jeans und eine gestärkte weiße Bluse. Sie war wesentlich zwangloser gekleidet als bei dem einzigen Anlass, bei dem er sie bisher persönlich gesehen hatte.
    Er sagte, es würde ihn freuen, sie wiederzusehen, und sie erwiderte, die Freude sei ganz auf ihrer Seite. Dabei ließ sie ihn spüren, dass sie das tatsächlich so meinte.
    Trotz ihrer fünfundsiebzig Jahre war sie in ausgezeichneter Verfassung. Ihr dichtes graues Haar war kurz geschnitten, und ihre blauen Augen waren ebenso direkt wie klar.
    Als sie ihm die Hand schüttelte, war ihr Händedruck so fest, wie er ihn in Erinnerung hatte. Ihre Hände waren kräftig, gebräunt und an körperliche Arbeit gewöhnt.
    Sie tranken Eistee und sprachen dabei über den Maisanbau, über Pferde – die sie liebte – und über die Freuden eines Sommers im Mittleren Westen, wo sie geboren und aufgewachsen war und wo sie immer bleiben wollte. Dann sagte er: »Ma’am, ich bin hier, weil ich Sie um einen Gefallen bitten möchte, der von großer Bedeutung für mich ist.«
    »Sprechen Sie nur weiter, Sergeant Carrier! Ich werde tun, was ich tun kann.«
    »Ich bin gekommen, weil ich ein privates Gespräch mit Ihrem Sohn führen möchte. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Sie ihm das genau so sagen.«
    Sie lächelte. »Glücklicherweise haben wir schon immer ein ausgezeichnetes Verhältnis – mit Ausnahme dieses einen
Monats, als er in der Navy war und meinte, er müsse eine Frau heiraten, die nicht die richtige für ihn war. Was ich sofort gemerkt habe.«
    »Wie ist die Sache ausgegangen, Ma’am?«
    »Zu meiner Erleichterung und meinem Amüsement stellte er fest, dass die Frau gar kein Interesse daran hatte, ihn zu heiraten.«
    »Ich heirate übrigens in einem Monat«, sagte Tim.
    »Glückwunsch, Sergeant!«
    »Und ich habe sofort gemerkt, dass sie die Richtige für mich ist.«
    »Tja, Sie sind älter, als mein Sohn damals war, und auch vernünftiger, würde ich sagen.«
    Sie unterhielten sich eine Weile über Linda, und dann unterhielten sie sich über das Treffen, das er anstrebte. Er erzählte ihr nicht alles, aber mehr, als er vorgehabt hatte.

66
    Im rötlichen Zwielicht stand der Nadelwald da wie eine duftende Kathedrale, in der nur Eulen ihr einsilbiges Gebet verrichteten.
    Mit vollendeter Anmut schmiegte sich das große Holzhaus zwischen die letzten Bäume am Hang. Ihm gegenüber lag ein lang gestreckter See, in dem sich der lodernde Himmel spiegelte.
    Ein Mann begleitete Tim eine Reihe sanft beleuchteter Stufen zum Ufer hinunter, wo ein Steg etwa dreißig Meter weit ins Wasser ragte.
    »Ich lasse Sie nun allein«, sagte der Mann.
    Tims Schritte klangen hohl auf den Planken. Kleine Wellen schwappten an die Pfähle, und in dem schattigen Wasser zu seiner Rechten sprang ein Fisch in die Luft und fiel klatschend zurück.
    Am Ende des Stegs erhob sich ein offener Pavillon, groß genug für acht Dinnergäste. An diesem Abend hatte man nur einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen hineingestellt. Beide waren nach
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