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Blutvertrag

Blutvertrag

Titel: Blutvertrag
Autoren: D Koontz
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Augenhöhe mit Tim war. »Und was hast du heute eigentlich getan, Türsteher?«
    Tim runzelte die Stirn. »Nenn mich nicht so.«

    »Also, was hast du heute getan?«
    »Das Übliche. Irgendeine Mauer gebaut.«
    »Und was wirst du morgen tun?«
    »Irgendeine andere Mauer bauen.«
    »Für wen?«
    »Für den, der mich bezahlt.«
    »Ich arbeite siebzig Stunden pro Woche in dieser Bude, manchmal auch länger, aber nicht für die Gäste.«
    »Das merken deine Gäste auch«, versicherte ihm Tim.
    »Und wer ist jetzt das sarkastische Arschloch?«
    »Den Meistertitel hast noch immer du, aber ich profiliere mich gerade als Herausforderer.«
    »Ich arbeite für Michelle und für die Kinder, die wir bekommen werden. Man braucht einfach jemand, für den man arbeitet, abgesehen von dem, der einen bezahlt. Man braucht jemand Besonderen, mit dem man etwas aufbauen und eine Zukunft teilen kann.«
    »Liam, du hast wirklich wunderschöne Augen.«
    »Ich und Michelle – wir machen uns Sorgen um dich, Alter.«
    Tim spitzte die Lippen.
    »Alleinsein tut keinem gut«, sagte Rooney.
    Tim machte Kussgeräusche.
    Rooney beugte sich vor, bis ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. »Willst du etwa mit mir knutschen?«
    »Na ja, wo ich dir offenbar so wichtig bin …«
    »Ich pflanze gleich meinen Hintern auf die Theke. Den kannst du gerne knutschen.«
    »Nein danke. Dafür sind meine Lippen mir dann doch zu schade.«
    »Weißt du, was dein Problem ist, Türsteher?«
    »Fängst du schon wieder an.«
    »Autophobie.«
    »Quatsch. Ich hab doch keine Angst vor Autos!«

    »Du hast Angst vor dir selbst. Nein, das stimmt auch nicht ganz. Du hast Angst vor deinem Potenzial.«
    »Und du würdest einen prima Highschool-Psychologen abgeben«, sagte Tim. »Ich dachte, hier gibt’s kostenlose Salzbrezeln. Wo sind meine Brezeln?«
    »Auf die hat ein Besoffener gereihert. Ich war gerade dabei, sie abzuwischen.«
    »Okay. Wenn sie durchgeweicht sind, will ich doch lieber keine.«
    Rooney holte aus dem Regal hinter der Theke eine Schale Salzbrezeln und stellte sie neben Tims Bier. »Michelle hat übrigens eine Cousine namens Shaydra. Die ist echt süß.«
    »Was ist denn das für ein Name? Heißt heutzutage niemand mehr Mary?«
    »Ich werde dafür sorgen, dass du und Shaydra mal zusammen ausgeht.«
    »Sinnlos. Morgen lasse ich mir die Eier abschneiden.«
    »Leg sie in ein leeres Gurkenglas und bring sie zur Verabredung mit. Das ist ein toller Aufhänger, um ins Gespräch zu kommen.« Damit kehrte Rooney zum anderen Ende der Theke zurück, wo die drei lebhaften Gäste dafür sorgten, dass seine noch ungeborenen Kinder später ihre Studiengebühren bezahlen konnten.
    Einige Minuten lang versuchte Tim, sich einzureden, dass Bier und Salzbrezeln alles waren, was er brauchte. Das klappte ganz gut, weil er sich dabei Shaydra als strohdummen Trampel mit zusammengewachsenen Augenbrauen und zu einem Zopf geflochtenen Nasenhaaren vorstellte.
    Wie üblich wirkte die Kneipe beruhigend auf ihn. Eigentlich brauchte er nicht einmal das Bier, damit sich alles, was ihm den Tag über auf die Nerven gegangen war, in Wohlgefallen auflöste. Es war irgendwie der Raum selbst, der das vermochte, obwohl Tim nicht recht begriff, was der Grund für diese Wirkung war.

    Die Luft roch nach schalem und frischem Bier, nach der Salzlake in dem großen Glas Würstchen, das auf der Theke stand, nach Möbelwachs und Shuffleboard-Pulver. Aus der kleinen Küche kam das Aroma von auf dem Grill schmorenden Frikadellen und von Zwiebelringen, die in heißem Öl vor sich hin brutzelten.
    Das warme Bad angenehmer Düfte, die beleuchtete Budweiser-Uhr und das Halbdunkel, in dem Tim saß, das Murmeln der Pärchen an den Tischen hinter ihm und die unsterbliche Stimme von Patsy Cline aus der Jukebox waren ihm so vertraut, dass sein eigenes Zuhause ihm vergleichsweise wie fremdes Territorium erschien, wenn er heimkam.
    Vielleicht wirkte die Kneipe so tröstlich auf ihn, weil sie zwar nichts Dauerhaftes, aber doch wenigstens etwas einigermaßen Beständiges darstellte. In einer sich unablässig verändernden Welt widersetzte sie sich selbst der kleinsten Veränderung.
    Hier erwarteten Tim keine Überraschungen, und er wollte auch keine erleben. Neue Erfahrungen wurden überschätzt. Von einem Bus überfahren zu werden, wäre auch eine neue Erfahrung.
    Er zog das Vertraute, Gewohnte vor. Er lief nicht Gefahr, von einem Berg abzustürzen, weil er niemals einen bestiegen
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