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Blutvertrag

Blutvertrag

Titel: Blutvertrag
Autoren: D Koontz
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Michelle.«
    »Wenn ich das dächte, würde ich sofort aufhören.«
    Er warf einen Blick auf ihre linke Hand, die mit der Innenseite nach oben auf der Arbeitsplatte neben dem Kühlschrank lag.
    »Willst du eine Tasse?«, fragte sie und zeigte auf die Kaffeemaschine neben dem Herd. »Er ist frisch.«
    »Das Zeug sieht so schwarz aus, als hätte man es aus einem Tintenfisch gepresst.«
    »Wer will schon schlafen, wenn man wach sein kann?«
    Tim goss sich einen Becher Kaffee ein und setzte sich damit wieder an den Tisch.
    Wie viele andere Stühle kam ihm auch dieser wie ein Spielzeugmöbel vor. Michelle war klein, weshalb derselbe Stuhl mit ihr darauf groß aussah, aber Tim fühlte sich wie ein Kind, das Kaffeeklatsch spielt.
    Allerdings hatte dieser Eindruck weniger mit den Stühlen als mit Michelle zu tun. Ohne es zu merken, schaffte sie es manchmal, dass er sich vorkam wie ein verlegener kleiner Junge.
    Sie führte den Bleistift mit der rechten Hand. Die Zeichenunterlage hielt sie dabei mit dem Stumpf ihres linken Unterarms fest.
    »In zehn Minuten«, sagte sie und deutete mit dem Kinn auf den Backofen, »ist der Rührkuchen fertig.«
    »So gut er auch riecht, ich kann nicht bleiben.«
    »Tu bloß nicht so, als hättest du was vor!«

    Ein Schatten tanzte über den Tisch. Tim hob den Blick. Ein gelber Schmetterling flatterte unter den silbernen Hufen der Bronzegazellen, aus denen Michelle einen kleinen Leuchter mit Glühbirnen gestaltet hatte.
    »Der ist heute Nachmittag hier hereingeflogen«, sagte sie. »Eine Weile habe ich die Tür offen gelassen und sogar versucht, ihn hinauszuscheuchen, aber offenbar fühlt er sich hier zu Hause.«
    »Das wundert mich nicht.«
    Unter der Bleistiftspitze bildete sich flüsternd ein weiterer Ast.
    »Wie hast du es eigentlich mit dem Zeug die Treppe heraufgeschafft? «, fragte Michelle.
    »Was für Zeug?«
    »Das, was dich so belastet.«
    Der Tisch war so blau wie ein fahler Himmel, hinter dem sich geheimnisvoll der Schatten des Schmetterlings bewegte.
    »Ich werde jetzt eine Weile nicht mehr vorbeikommen«, sagte Tim.
    »Wie bitte?«
    »Ein paar Wochen, vielleicht einen Monat lang.«
    »Ich verstehe nicht ganz.«
    »Es gibt da etwas, um das ich mich kümmern muss.«
    Der Schmetterling fand einen Sitzplatz und klappte die Flügel zusammen. Dadurch verschwand der Schatten so plötzlich wie die Flamme einer ausgelöschten Kerze, als wäre er deren zitterndes Spiegelbild gewesen.
    »Etwas …«, wiederholte Michelle. Der übers Papier gleitende Bleistift verstummte.
    Als Tim den Blick vom Tisch hob und Michelle ansah, merkte er, dass sie ihn anstarrte. Ihre Augen hatten beide genau dasselbe Blau und wirkten gleichermaßen überzeugend.
    »Wenn ein Mann auftaucht, mein Aussehen beschreibt und einen Namen hören will, sagt einfach, dass ihr keine Ahnung habt, wer ich bin.«
    »Was für ein Mann?«

    »Irgendeiner. Egal, wer. Liam wird sagen: ›Der große Kerl auf dem letzten Barhocker? Hab ich vorher noch nie gesehen. Ziemlicher Klugscheißer. War mir unsympathisch.‹«
    »Also weiß Liam, worum es geht?«
    Tim zuckte die Achseln. Er hatte Liam nicht mehr erzählt, als er Michelle erzählen wollte. »Eigentlich nicht. Es geht um eine Frau, das ist alles.«
    »Und falls dieser Typ tatsächlich unten in der Kneipe auftaucht, weshalb sollte er dann auch noch hier heraufkommen? «
    »Vielleicht tut er das ja gar nicht. Aber er ist wahrscheinlich ziemlich gründlich. Außerdem könntest du ja unten in der Kneipe sein, wenn er kommt.«
    Ihr linkes Auge – das künstliche, blinde – schien ihn stärker zu durchdringen als das rechte, als wäre es von einem kraftvollen Zauber besessen.
    »Es geht nicht um eine Frau«, sagte sie.
    »Doch, ehrlich.«
    »Jedenfalls nicht so, wie du es angedeutet hast. Du steckst in der Patsche.«
    »So schlimm ist es nicht. Nur peinlich.«
    »Nein. Du würdest dich nie in eine peinliche Lage bringen. Jemanden, den du gut kennst, übrigens auch nicht.«
    Tim schaute sich nach dem Schmetterling um und sah ihn auf der Kette hocken, an der die Lampe aufgehängt war. Langsam dehnte er seine Flügel in der warmen Luft, die von den leuchtenden Glühbirnen aufstieg.
    »Du hast kein Recht«, fuhr sie fort, »das alleine durchzustehen, egal, was es ist.«
    »Du misst der Sache zu viel Bedeutung bei«, beruhigte er sie. »Es ist nur eine peinliche persönliche Angelegenheit. Ich werde schon damit fertig.«
    Sie saßen im Schweigen des ruhenden Bleistifts. Aus der Jukebox
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