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Blutvertrag

Blutvertrag

Titel: Blutvertrag
Autoren: D Koontz
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in der Kneipe unten kam keine Musik, und auch die Nacht hinter dem Fliegengitter war totenstill.

    Schließlich fragte Michelle: »Sag mal, hast du dich jetzt zum Lepidopterologen entwickelt?«
    »Ich weiß nicht mal, was das ist.«
    »Ein Schmetterlingskundler. Versuch doch mal, mich anzusehen. «
    Tim senkte den Blick.
    »Ich arbeite an einer Lampe für dich«, sagte Michelle.
    Er betrachtete die Zeichnung mit den stilisierten Bäumen.
    »Nicht die da. Eine andere. Sie ist schon in der Produktion. «
    »Wie sieht sie aus?«
    »Ende des Monats ist sie fertig. Dann wirst du sie schon sehen.«
    »Na gut.«
    »Komm wieder und schau sie dir dann an.«
    »Das tue ich. Ich komme wieder, um sie mir zu holen.«
    »Ja, hol sie dir«, sagte Michelle und streckte den Stumpf ihres linken Arms nach ihm aus.
    Tim hatte das Gefühl, sie würde ihn mit unsichtbaren Fingern festhalten, und dann gab sie ihm auch noch einen Kuss auf den Handrücken.
    »Danke für Liam«, sagte sie leise.
    »Den hat dir das Schicksal geschenkt, nicht ich.«
    »Danke für Liam«, wiederholte sie beharrlich.
    Tim küsste sie auf den Scheitel ihres gesenkten Kopfes. »Ich wünschte, ich hätte eine Schwester, die genauso ist wie du. Aber was die Patsche angeht, in der ich angeblich stecke, da irrst du dich.«
    »Keine Lügen«, sagte sie. »Ausweichen darfst du, wenn es sein muss, aber lügen darfst du nicht. Du bist kein Lügner, und ich bin kein Dummkopf.«
    Sie hob den Kopf und sah ihm in die Augen.
    »Na gut«, sagte er.
    »Meinst du nicht, dass ich merke, wenn du echte Probleme hast?«

    »Doch«, gab er zu, »das merkst du bestimmt.«
    »Jetzt ist der Rührkuchen sicher gleich fertig.«
    Sein Blick fiel wieder auf die Prothese, die neben dem Kühlschrank lag. Die Handfläche zeigte nach oben, die Finger waren entspannt. »Ich hole ihn für dich aus dem Ofen«, sagte er.
    »Ach, das schaffe ich schon. Wenn ich backe, lege ich die Hand nie an. Ich könnte nämlich nicht spüren, wenn sie verschmoren würde.«
    Sie streifte Topfhandschuhe über ihre gesunde Hand und den Stumpf, nahm den Kuchen heraus und stürzte ihn zum Abkühlen auf ein Gitter.
    Als Michelle die Handschuhe abgestreift und sich zu Tim umgedreht hatte, stand dieser bereits an der Tür.
    »Ich freue mich auf die Lampe«, sagte er.
    Weil ihre Tränendrüsen nicht geschädigt worden waren, glänzten sowohl ihr lebendiges wie ihr totes Auge.
    Tim trat auf den Treppenabsatz, aber bevor er das Fliegengitter hinter sich zufallen ließ, sagte Michelle: »Es sind Löwen.«
    »Was?«
    »Die Lampe. Es sind Löwen.«
    »Die sehen bestimmt toll aus.«
    »Wenn du die Sache richtig anpackst, bekommst du ein Gefühl für ihr großes Herz und ihren Mut.«
    Er schloss die Tür. Während er die Stufen hinunterging, schien er auf dem Beton keinerlei Geräusch zu machen.
    Der auf der Straße herrschende Verkehr war sicher nicht lautlos, doch Tim blieb taub für seinen Chor. Scheinwerfer näherten sich, und Rücklichter entschwanden wie leuchtende Fische im Schweigen eines tiefen Ozeans.
    Als er sich den letzten Stufen näherte, begann der Lärm der Stadt zu ihm hoch zu steigen, zuerst leise, dann laut und immer lauter. Das Geräusch stammte hauptsächlich von Maschinen, doch die hatten einen wilden, wenn nicht sogar brutalen Rhythmus.

4
    Die Frau, deren Tod geplant war, wohnte in einem bescheidenen Bungalow in den Hügeln von Laguna Beach, an einer Straße, die zwar kein sündteures Panorama bot, seit einiger Zeit aber dennoch immer nobler wurde. Verglichen mit den alternden Häusern waren die Grundstücke derart wertvoll, dass jedes Gebäude, das verkauft wurde, ungeachtet seines Zustands und Charmes sofort abgerissen wurde, um Platz für ein größeres zu schaffen.
    Südkalifornien warf seine alte Hülle komplett ab. Falls sich herausstellen sollte, dass die Zukunft unerfreulich war, dann würde kein Beweis für eine bessere Vergangenheit mehr existieren, was den Verlust sicher weniger schmerzlich machte.
    Das kleine, weiße Haus, das sich unter hohe Eukalyptusbäume kauerte, hatte viel Charme, doch in Tims Augen wirkte es umkämpft. Unwillkürlich sah er darin eher einen Bunker als einen Bungalow.
    Warmes Lampenlicht erleuchtete die Fenster. Eng gewebte Gardinen ließen die Räume dahinter zum Geheimnis werden.
    Tim stellte seinen Geländewagen auf der anderen Straßenseite ab, vier Häuser von Linda Paquettes Grundstück entfernt.
    Er kannte das Haus, vor dem er stand. Es war drei Jahre alt und im
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