Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutvertrag

Blutvertrag

Titel: Blutvertrag
Autoren: D Koontz
Vom Netzwerk:
in Kneipen zu gehen, und hier wollte er an diesem Abend und zu dieser Stunde schon gar nicht sein.
    Endlich sagte er: »Ich bin zu früh dran.«
    Tim war sich nicht sicher, ob das eine Unterhaltung war, die er führen wollte.
    »Wahrscheinlich«, fuhr der Fremde fort, »will jeder früh dran sein, um die Lage zu peilen.«
    Tim hatte ein schlechtes Gefühl. Nicht, dass er den Eindruck hatte, sich vor dem Kerl da hüten zu müssen, weil er gefährlich war, aber lästig konnte er vielleicht schon werden.
    »Ich bin mal mit meinem Hund aus einem Flugzeug gesprungen«, sagte der Fremde.
    Allerdings kam ein denkwürdiges Kneipengespräch am ehesten dann zustande, wenn man das Glück hatte, einem Exzentriker zu begegnen.
    Tims Stimmung hob sich. Er wandte sich dem Fallschirmspringer zu und fragte: »Wie hieß er denn?«
    »Wer?«
    »Der Hund.«
    »Larry.«
    »Komischer Name für einen Hund.«
    »Ich hab ihn nach meinem Bruder benannt.«
    »Und was hat Ihr Bruder dazu gesagt?«
    »Mein Bruder ist tot.«
    »Das tut mir leid«, sagte Tim.
    »Ist schon lange her.«
    »Mochte Larry Fallschirmspringen?«
    »Er ist nie gesprungen. Er starb, als er sechzehn war.«

    »Ich meinte den Hund.«
    »Ach so. Ja, dem hat es offenbar gefallen. Ich hab es nur erwähnt, weil mir gerade genauso flau im Magen ist wie damals vor dem Sprung.«
    »Sie hatten einen ziemlich üblen Tag, was?«
    Der Fremde runzelte die Stirn. »Meinen Sie?«
    Tim nickte. »Ein übler Tag.«
    Mit weiterhin gerunzelter Stirn fragte der Fallschirmspringer: »Sie sind es doch, oder?«
    Die Kunst des Wortgeplänkels in einer Kneipe war nicht damit vergleichbar, auf dem Klavier Mozart zu spielen. Es läuft eher wie bei einer Jamsession. Die Rhythmen ergeben sich instinktiv.
    »Sie sind es, ja?«, wiederholte der Fremde.
    »Wer soll ich denn sonst sein?«, entgegnete Tim.
    »Sie sehen so … normal aus.«
    »Ich gebe mir alle Mühe«, versicherte Tim.
    Der Fallschirmspringer starrte ihn einen Moment lang aufmerksam an, senkte dann jedoch gleich wieder den Blick. »Ich kann mir nicht vorstellen, jemand wie Sie zu sein.«
    »Ein Zuckerschlecken ist es nicht«, sagte Tim in ernsterem Ton und runzelte ebenfalls die Stirn, weil er das ziemlich ehrlich gemeint hatte.
    Endlich hob der Fremde sein Glas. Während er es zum Mund führte, schwappte Bier auf die Theke; dann schüttete er die Hälfte in sich hinein.
    »Außerdem ist das nur so eine Phase«, sagte Tim mehr zu sich selbst als zu seinem Gesprächspartner.
    Irgendwann würde der Kerl seinen Fehler erkennen, woraufhin Tim so tun würde, als hätte er sich ebenfalls geirrt. Inzwischen konnte er sich ja ein wenig amüsieren.
    Der Mann schob den braunen Umschlag über die Theke. »Das ist die Hälfte. Zehntausend. Der Rest folgt, wenn sie erledigt ist.«

    Sobald er seinen Satz beendet hatte, drehte er sich auf seinem Barhocker um, stand auf und ging auf die Tür zu.
    Tim wollte den Mann schon zurückrufen, als ihm die schaurige Bedeutung der elf Worte klar wurde: Das ist die Hälfte. Der Rest folgt, wenn sie erledigt ist.
    Zuerst erstickte Verblüffung seine Stimme und dann ein für ihn untypisches Angstgefühl.
    Der Fallschirmspringer hatte es offenbar eilig, die Kneipe zu verlassen. Er durchquerte rasch den Raum, trat durch die Tür und verschwand in der Nacht.
    »He, warten Sie mal«, sagte Tim zu leise und zu spät. »Warten Sie.«
    Wenn man durch die Tage gleitet und dabei nur eine Spur hinterlässt, die so fein ist wie Spinnweben, dann ist man es nicht gewohnt, laut zu rufen oder hinter Fremden herzulaufen, die einen Mord im Sinn haben.
    Als Tim klar wurde, dass er nicht umhinkam, die Verfolgung aufzunehmen, erhob er sich von seinem Hocker, aber da war der richtige Zeitpunkt bereits verstrichen. Der Fremde schon zu weit weg.
    Tim setzte sich wieder hin und trank sein Bier in einem langen Zug aus.
    An den Wänden des Glases blieb Schaum haften. Bisher war ihm dieses flüchtige Muster nie besonders geheimnisvoll erschienen. Nun studierte er es, als sei es von großer Bedeutung.
    Verwirrt warf er einen Blick auf den braunen Umschlag, der so unheilvoll aussah wie eine Rohrbombe.
    Je einen Teller mit Cheeseburger und Fritten in den Händen, bediente Liam Rooney eines der jungen Paare an den Tischen. Weil montags nicht viel los war, kam an diesem Tag keine Kellnerin.
    Tim hob die Hand, um Rooney ein Zeichen zu geben. Der Wirt nahm es nicht wahr und ging zu dem Durchgang in der Theke zurück, der sich am anderen Ende des Raums
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher