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Blutvertrag

Blutvertrag

Titel: Blutvertrag
Autoren: D Koontz
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hätte.
    Manche Leute meinten, ihm fehle es an Abenteuerlust. Tim fand es sinnlos, ihnen klarzumachen, dass kühne Expeditionen durch exotische Länder und über fremde Meere den Streifzügen von Krabbelkindern entsprachen, verglichen mit den Abenteuern, die einen in den zwanzig Zentimetern zwischen dem linken und dem rechten Ohr erwarteten.
    Hätte er eine entsprechende Bemerkung gemacht, hätte man ihn für einen Narren gehalten. Schließlich war er nur ein Handwerker, ein Maurermeister. Von so jemandem erwartete man, dass er nicht zu viel nachdachte.

    Ohnehin vermieden es die meisten Leute inzwischen nachzudenken, vor allem über die Zukunft. Sie verließen sich lieber auf den Trost blinder Überzeugungen als auf klarsichtige Gedanken.
    Andere bezichtigten Tim, altmodisch zu sein. Dieses Vergehens bekannte er sich gerne schuldig.
    Die Vergangenheit war reich an vertrauter Schönheit, sodass ein Blick zurück sich immer lohnte. Tim war ein hoffnungsvoller Mensch, aber nicht vermessen genug, um anzunehmen, dass sich auch in der unbekannten Zukunft Schönheit verbarg.
    Ein interessanter Bursche betrat die Kneipe. Er war groß, wenn auch nicht so groß wie Tim, kräftig, aber nicht furchterregend.
    Was ihn interessant machte, war weniger sein Aussehen als sein Verhalten. Er kam herein wie ein gehetztes Tier. Zuerst wandte er sich zur Tür um und spähte hinter sich, bis sie sich geschlossen hatte, dann ließ er den Blick argwöhnisch durch den Raum schweifen, als misstraute er dem Eindruck, dass er hier Zuflucht finden konnte.
    Als der Neuankömmling näher kam und sich an die Theke setzte, starrte Tim auf sein Pilsglas, als handelte es sich um einen mysteriöses Gefäß, über dessen tiefgründigen Inhalt er nachgrübelte. Indem er diese andächtige Haltung einnahm, statt gekränkte Einsamkeit zur Schau zu stellen, ließ er Fremden die Option offen, ihn anzusprechen, ohne es herauszufordern.
    Falls die ersten Worte, die der andere von sich gab, darauf hinwiesen, dass es sich um einen Fanatiker, einen politischen Spinner oder irgendeinen Dummkopf handelte, konnte Tim aus seiner verträumten Pose zu bitterem Schweigen und dem Ausdruck mühsam gebändigter Aggression übergehen. Nur wenige Leute versuchten öfter als zweimal, das Eis zu brechen, wenn die einzige Reaktion in eisiger Kälte bestand.

    Wenn Tim am Altar der Theke saß, war es ihm zwar lieber, sich ruhiger Kontemplation zu widmen, aber er hatte auch nichts gegen Konversation von der richtigen Sorte. Das hieß, sie musste ungewöhnlich sein.
    Brachte man selbst ein Gespräch in Gang, so war es womöglich schwierig zu beenden. Machte jedoch der Nachbar zuerst den Mund auf und ließ erkennen, wer er war, dann konnte man ihn problemlos zum Schweigen bringen, indem man ihn einfach links liegen ließ.
    Weiter um das Wohlergehen seiner noch nicht geborenen Kinder bemüht, trat Rooney auf den Plan. »Was darf’s sein?«
    Der Fremde legte einen dicken, braunen Umschlag auf die Theke und ließ seine linke Hand darauf ruhen. »Vielleicht … ein Bier.«
    Rooney wartete mit gehobenen Augenbrauen.
    »Ja. Genau. Ein Bier«, sagte der neue Gast.
    »Vom Fass habe ich Budweiser, Miller Lite und Heineken.«
    »Aha. Tja … also … ich würde sagen … ein Heineken.«
    Die Stimme war so dünn und straff wie eine Telefonleitung, und die Worte kamen heraus wie Vögel, die in diskretem Abstand zueinander darauf hockten. Dabei schwang ein Ton mit, bei dem es sich um Bestürzung handeln mochte.
    Als Rooney das Bier brachte, hatte der Fremde bereits Geld auf die Theke gelegt. »Stimmt so«, sagte er.
    Ein zweites Glas kam offenbar nicht infrage.
    Während Rooney wegging, umschloss der Fremde das Bierglas mit der Rechten. Er nahm keinen einzigen Schluck.
    Tim war ein Nuckelbaby. Mit diesem Titel verspottete ihn Rooney jedenfalls gern, weil er es schaffte, während eines ganzen, langen Abends gerade mal zwei Glas Bier zu konsumieren. Manchmal bestellte er sich ein paar Eiswürfel dazu, wenn das Gebräu zu warm geworden war.
    Selbst wenn man kein Gewohnheitstrinker war, wollte man den ersten Schluck doch genießen, solange das Bier frisch gezapft und ordentlich kühl war.

    Wie ein auf sein Ziel fixierter Scharfschütze betrachtete Tim sein eigenes Glas, doch wie ein guter Scharfschütze verfügte auch er über ein ausgezeichnetes peripheres Sehvermögen. Deshalb konnte er sehen, dass der Fremde sein Glas immer noch nicht gehoben hatte.
    Offenbar war es dieser Kerl nicht gewohnt,
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