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Blutsverwandte: Thriller (German Edition)

Blutsverwandte: Thriller (German Edition)

Titel: Blutsverwandte: Thriller (German Edition)
Autoren: Jan Burke
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war immer der Meinung, dass Richard es einfach leid war, wie Nelson seine Frau angeschmachtet hat.«
    »Ich habe keine Zeit für die gehässigen Bemerkungen einer alten Jungfer«, zischte Giles und verschwand.
    Edith lächelte und vertiefte sich wieder in ihre Zeitschrift.

3. KAPITEL
     
    DIENSTAG, 9. MAI, 13:25 UHR LAS PIERNAS
     
    Caleb saß im Chemieunterricht und hielt es in diesem Moment noch für sein größtes Problem, wie er vor seinen Freunden verheimlichen konnte, dass er in diesem Fach eine Eins bekommen würde. Und in allen anderen Fächern auch. Zum Glück ließ ihn sein Bruder Mason oft genug mit ihm herumziehen, um Calebs Freunde vor Ehrfurcht erstarren zu lassen. Der fünf Jahre ältere Mason war Künstler und Musiker in einer populären lokalen Band, und Caleb hielt sorgsam geheim, dass Mason genauso streng und fürsorglich über ihn wachte wie seine Eltern.
    Er sah, wie Mrs. Thorndikes Blick auf ihn fiel, und wusste, dass sie ihn aufrufen würde und er entweder antworten oder Nichtwissen vortäuschen müsste, als ein dünnes, rothaariges Mädchen hereinkam.
    Das Mädchen erstarrte, als ihr der Geruch in die Nase stieg, der noch von den Experimenten im Raum hing, und sah sich um, bis sie Caleb gefunden hatte.
    »Ja?«, sagte Mrs. Thorndike gereizt und lenkte das Mädchen von ihm ab – wofür er dankbar war, denn es war ein beunruhigender Blick gewesen. Ein mitleidiger Blick – aber weshalb? Das Mädchen reichte der Lehrerin einen Zettel, sah erneut Caleb an, wurde rot und lief eilig hinaus.
    Mrs. Thorndike las den Zettel, ging zu Caleb und teilte ihm mit ruhiger Stimme mit, er solle sich im Sekretariat melden.
    »Aber nicht unterwegs trödeln«, ermahnte sie ihn.
    Er wunderte sich, schnappte sich jedoch seinen Rucksack, während seine Mitschüler lachten und johlten und Bemerkungen machten wie »Hey, Fletcher!«, als hätte er eine großartige Leistung erbracht.
    »Haltet die Klappe, ihr Idioten!«, herrschte Mrs. Thorndike sie an, was gar nicht ihre Art war, und alle wurden still, wahrscheinlich eher vor Schreck als aus dem Wunsch heraus, ihr zu gehorchen.
     
    Den ganzen Weg übers Schulgelände diskutierte er mit sich selbst. Er hatte nichts angestellt und brauchte sich keine Sorgen zu machen. Wahrscheinlich war bloß Mom vorbeigekommen, um ihm ein Heft zu bringen, das er zu Hause vergessen hatte. Oder sie wollte ihm sagen, dass er am Nachmittag zu Hause bleiben und auf Jenny aufpassen sollte, seine dreijährige Schwester. Oder dass er ihr sein Auto leihen sollte, weil ihres nicht ansprang.
    Dann fiel ihm wieder ein, wie ihn das rothaarige Mädchen angesehen hatte.
    Nur ein Irrtum, sagte er sich. Er war gar nicht ins Sekretariat zitiert worden. Es war einfach nicht passiert.
    Aber nicht unterwegs trödeln.
    Warum hatte Mrs. Thorndike das gesagt?
     
    Sowie er den Raum betrat, warfen ihm die Leute im Sekretariat mitleidige Blicke zu. Ihm wurde kalt. Mr. Rogers, der Direktor, erwartete ihn am Empfangstresen und bat ihn, mit in sein Büro zu kommen.
    »Was ist denn los?«, fragte er.
    »Du hast nichts angestellt, Caleb.«
    Das beruhigte Caleb nicht nennenswert. Am hinteren Büro angelangt, zog der Direktor zwar die Tür auf, ging jedoch nicht mit ihm hinein. Drinnen warteten zwei Männer. Einer, ein Fremder, stand direkt hinter der Tür. Der andere saß, und Caleb erkannte ihn sofort, doch seine Anwesenheit verstärkte Calebs Verwirrung noch mehr.
    Was hatte Onkel Nelson hier zu suchen?
    Im nächsten Augenblick sah er, dass Onkel Nelson weinte – ja, er schluchzte geradezu. Caleb wurde leicht schwindlig. Es war, als sähe man sein eigenes Haus in einer anderen Straße stehen – vertraut, aber fehl am Platz.
    »Was ist denn?«, hörte er sich selbst fragen.
    »Bist du Caleb Fletcher?«, fragte der andere Mann.
    Caleb wandte sich um und sah ihn an. Er war groß. Grö ßer als Caleb, der schon eins achtzig und noch im Wachstum war. Der Mann hatte kurze braune Haare und musterte Caleb fest aus graugrünen Augen. Er wirkte ebenso gelassen, wie Onkel Nelson außer sich schien. Etwas in seiner Gelassenheit dämpfte den Aufruhr aus Fragen und Befürchtungen in Calebs Kopf.
    »Ja, ich bin Caleb. Und wer sind Sie?«
    »Ich bin Detective Frank Harriman vom Las Piernas Police Department. Willst du dich nicht setzen?«
    »Nein danke.« Seine Hände waren feucht, und er verspürte den heftigen Drang, aus dem Raum zu flüchten, weil er wusste, dass das, was nun kam, nicht erfreulich sein würde. Er ertappte
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