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Das silberne Zeichen (German Edition)

Das silberne Zeichen (German Edition)

Titel: Das silberne Zeichen (German Edition)
Autoren: Petra Schier
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PROLOG
    Frankfurt,
    26. Dezember Anno Domini 1413
    Langsam ritt Christoph Schreinemaker durch das Judenviertel seiner Geburtsstadt. Sein Pferd ließ er sich selbst den Weg über den unebenen Grund suchen. Nachdem es am Vortag heftig geregnet hatte, waren die Schlammfurchen auf den Straßen über Nacht steinhart gefroren. Atemwölkchen standen Tier und Reiter vor dem Gesicht, Christoph zog sich seine Wollgugel fester um Kopf und Hals.
    Vor einem schmalen, dreigeschossigen Haus hielt er an und stieg vom Rücken des Pferdes. Er betätigte den schmiedeeisernen Türklopfer und wartete. Eine freudige Erregung ergriff ihn, denn dies war die letzte Station auf der Reise nach Frankfurt. Wenn er seine Geschäfte mit dem Hausherrn abgeschlossen hatte, blieb ihm nur noch, ein paar Schriftstücke beim Stadtrat abzuholen und ein, zwei weitere selbst zu erstellen. Danach würde er sich gleich wieder auf den Weg nach Aachen machen, wo ein neues Leben an der Seite der Frau, die er liebte, auf ihn wartete.
    Er wollte schon ein zweites Mal klopfen, doch die Tür öffnete sich bereits, und ein dürrer, weißhaariger Diener blickte ihm misstrauisch entgegen. «Ihr wünscht?»
    Christoph schob die Gugel ein wenig zurück, damit der Mann sein Gesicht erkennen konnte, und setzte ein Lächeln auf. «Ich möchte mit Meister Lehel Rotstein sprechen. Ist er da?»
    «Nein.» Der Diener wollte die Tür sogleich wieder schließen.
    Im letzten Moment schob Christoph seinen Fuß dazwischen. «Verzeih, aber es ist sehr wichtig. Meister Rotstein und ich haben in der Vergangenheit Geschäfte miteinander gemacht. Würdest du ihm bitte ausrichten, dass der Sohn von Beatus Schreinemaker vor seiner Tür steht?»
    Der Alte musterte ihn von oben bis unten. Offenbar glaubte er nicht, dass ein Mann in schlichter Handwerkerkleidung mit seinem Herrn bekannt sein könnte. «Kann ich nicht», brummte er abweisend. «Meister Rotstein ist nicht da.»
    «Und wann wird er anzutreffen sein?»
    Der Diener zuckte mit den Schultern. «Gar nicht. Er ist vor einem halben Jahr mit seiner Familie nach Nürnberg gezogen, wo zwei seiner Brüder leben. Nur sein ältester Sohn wohnt noch hier und führt die Geschäfte in Frankfurt weiter.» Plötzlich stockte der Alte und kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen «Ihr sagtet, Ihr seid der Sohn von Beatus Schreinemaker, dem Tischler? Es heißt, Ihr seid vor vielen Jahren in den Konvent der Dominikaner eingetreten.»
    «Nicht ich tat das, sondern mein Bruder Robert», erklärte Christoph.
    In dem Alten arbeitete es, das war ihm deutlich anzusehen. Schließlich machte er einen Schritt zur Seite. «Tretet ein. Euer Vater war ein guter Freund von Meister Rotstein. Er wäre sicher erbost, wenn wir Euch nicht Gastfreundschaft gewährten. Mein Name ist Samuel.»
    Dankbar folgte Christoph ihm in eine Stube, die mit vorzüglichem Mobiliar ausgestattet war und offenbar vom Küchenofen mitbeheizt wurde. Samuel rief nach einer Magd und gab ihr die Anweisung, kaltes Fleisch und Wein zu bringen. Dann wandte er sich wieder an seinen Gast. «Setzt Euch! Es tut mir leid, dass ich Euch nicht weiterhelfen kann. Denn auch Meister Rotsteins Sohn ist nicht hier. Er besucht derzeit seinen Vater und wird wohl nicht vor März zurück sein.»
    «März!» Christoph schüttelte den Kopf. So lange konnte und wollte er nicht warten. «Kannst du mir sagen, wo genau Meister Rotstein in Nürnberg lebt?»
    Samuel rieb sich das Kinn. «Das kann ich, Herr. Aber wollt Ihr wirklich zu dieser Jahreszeit eine so weite Reise antreten? Können Eure Geschäfte nicht bis zum Frühjahr warten?»
    Christoph nahm sich ein Stück Geflügelfleisch und dachte nach, während er aß. Nürnberg war weit entfernt. Samuel hatte recht, im Winter würde die Reise dorthin lang und beschwerlich sein. Aber Lehel Rotstein verwaltete den größten Teil seines Vermögens und hielt überdies einige wichtige Schriftstücke unter Verschluss. Ihm blieb wohl nichts anderes übrig, als nach Nürnberg zu reiten. Das würde seine Pläne nicht unbeträchtlich verzögern. Marysa erwartete ihn im Laufe des Januar zurück in Aachen.
    Entschlossen leerte Christoph den Weinkrug und schob den Zinnteller von sich. «Sag mir, wo ich Meister Rotstein finden kann. Ich werde noch heute aufbrechen.»

1. KAPITEL
    Aachen,
    23. Februar Anno Domini 1414
    Marysa zupfte die üppigen Falten ihres dunkelbraunen Surcots zurecht und wandte sich dann an ihre Mutter, die auf der Bettkante saß und sie aufmerksam
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