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Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)

Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)

Titel: Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
Autoren: Manfred Bomm
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    »Einfach Unfug. Verzeihen Sie,
wenn ich das so deutlich sage.« Professor Dr. Walter Siegler, Rektor der
Hochschule für Wirtschaft und Umwelt, verstand es wie kein anderer, seine
Zuhörer zu faszinieren. Wenn er über Weltuntergang und Aberglaube dozierte,
verknüpfte er Wissenschaftliches mit Heiterem. Dann ging er mit erhobenem
Zeigefinger vor dem Auditorium auf und ab und brillierte mit geschliffener
Rhetorik, die in Verbindung mit seinem herben fränkischen Akzent charmant und
sympathisch klang. »Nur weil die Mayas ihren Kalender nicht ins Unendliche
fortgeführt haben, wird unser schöner Planet nicht mit Pauken und Trompeten
untergehen«, fuhr er fort und sah in lächelnde Gesichter. Rund 50 Personen
waren in dieses Kellergewölbe einer ehemaligen Weinhandlung gekommen, um sich
in mystisch-gespenstischer Umgebung, zwei Etagen unter der Erdoberfläche, von
dem ›Herrn Professor‹ den Weltuntergang erklären zu lassen, wie er
realistischerweise durch einen Kometen- oder Asteroiden-Einschlag geschehen
könnte, oder wie ihn die großen Religionen auf unterschiedliche Weise
prophezeiten. »Natürlich wird eines Tages die Apokalypse über uns hereinbrechen«,
wurde Siegler wieder ernst. »Dann nämlich, wenn sich in drei oder vier
Milliarden Jahren, also ziemlich bald« – er
hielt kurz inne und grinste – »unsere sterbende Sonne
aufbläht und alles in ihrer Umgebung verbrennt.«
    Das Lächeln wich aus den Gesichtern. Es war totenstill.
Siegler sog die feucht-modrige Kellerluft ein und betrachtete für einen Moment
den riesigen, leicht angerosteten mächtigen Leuchter, der mit einem Dutzend
brennender Kerzen zur Gewölbedecke hochgezogen worden war. Die Zuhörer saßen in
zwei voneinander getrennten, unterschiedlich abgestuften Räumen, die Siegler
jedoch beide von seinem Standort aus überblicken konnte. Die Wände waren
ziemlich rau verputzt und mit dem Staub von Jahrzehnten behaftet. Den linken
Raum, der drei, vier Stufen tiefer lag, zierten an der Rückwand riesige
Weinfässer; den rechten beherrschte ein gusseiserner Holzofen, der behagliche
Wärme verbreitete. Außerdem gab es von hier aus weitere Gänge und Treppen, die
in noch tiefere Bereiche führten. Neben Siegler, der sich an seinem Standort
nur wenige Meter bewegen durfte, um nicht aus dem Sichtwinkel der Zuschauer zu
geraten, gähnte das schwarze Loch, das an einen Brunnenschacht oder an ein
Verlies erinnerte. Es war mit stabilem Eisengitter abgedeckt worden. Ein von
Hand betriebener verrosteter Flaschenzug ließ auf die Bedeutung dieses
Schachtes schließen: Hier wurden einst Fässer hochgehievt oder in die finstere
Tiefe abgesenkt. »Stellen Sie sich vor, meine Damen und Herren, jedes Mal, wenn
wieder ein Termin zum Weltuntergang ansteht, würde sich die ganze Menschheit
darauf vorbereiten«, dozierte Siegler weiter und behielt mit seinen flinken
Augen alle seine Zuschauer im Blick, obwohl sie im Halbdunkel flackernder
Kerzen und indirekter Strahler saßen. Dort, in der letzten Stuhlreihe, hatte
auch eine seiner Dozentinnen Platz genommen: Professorin Dr. Hildtraud
Platterstein. Sie galt als kulturell engagiert und hatte ihn dazu überredet, an
diesem ungewöhnlichen Ort über ein ungewöhnliches Thema zu reden.
    Dass dieses uralte Kellergewölbe für kulturelle
Veranstaltungen genutzt werden konnte, war den jungen Inhabern eines
Blumengeschäfts zu verdanken, die das Gebäude gekauft hatten, um oben im
Erdgeschoss ihr Geschäft einzurichten. Tief unten aber, hier im
außergewöhnlichen Ambiente dieses Kellers, wollte das engagierte Paar den
Kulturschaffenden ein Forum bieten.
    Weil der Hochschul-Rektor weithin als begnadeter Redner
bekannt war, hatten sie über die kulturell interessierte Professorin Kontakte
zu ihm geknüpft. Zwar war Siegler von Haus aus ein Betriebswirtschaftler, doch
seine philosophische Ader, vor allem aber seine scharfzüngigen Bemerkungen,
machten ihn zu einem beliebten Unterhalter, der – leicht rundlich und kurz vor der Pension stehend – auch mal mit seiner Körpergröße kokettierte, die nur
knapp 1,60 Meter betrug. Damit plauderte er sich in die Herzen der Zuhörer und
spürte selbst, wie sie ihm an den Lippen hingen.
    »Wenn wir alle glauben würden, dass am 21. Dezember 2012
die Welt unterginge – wie es die selbst ernannten Maya-Kenner uns
weismachen wollen«, erhob Siegler plötzlich seine Stimme, »würde die
Weltwirtschaft zusammenbrechen, noch ehe der Planet in Schutt und Asche
versinkt. Denn was
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