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Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12

Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12

Titel: Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12
Autoren: Akif Pirinçci
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    1.
     
    Der Mensch macht Pläne. Wo doch jeder Mensch weiß,
daß nichts unplanmäßiger verläuft als das Leben. Und wo doch jeder Mensch auch
weiß, daß gerade aus den unplanmäßig eintretenden Dingen das Beste fürs Leben
erwächst. Nun ja, jedenfalls im Rückblick gesehen – und, nun ja, jedenfalls
manchmal. Andererseits scheinen das Leben und die Welt ohne einen Plan nicht
bezwingbar zu sein. Alles ist zu kompliziert, als daß man die Bewältigung der
Zukunft dem Zufall überlassen könnte. Selbst die angenehmen Momente, die da auf
den Menschen warten wie schaurig-schöne Luftlöcher, bedürfen der Planung. So
ist der Mensch gestrickt.
    Ja, der Mensch macht Pläne. Doch wie verhält es
sich in dieser Sache mit uns, mit meinesgleichen? 1 Ich gestehe, es
ist um keinen Deut besser bestellt! Auch wir sind dem Pläneschmieden verfallen,
wenn auch in einer entspannten Art und Weise. Und was mich persönlich betrifft,
bin ich vom Planen geradezu besessen. Läuft etwas nicht nach Plan, stürze ich
in Konfusion. Das passiert selbstverständlich fortlaufend. Denn wenn überhaupt
etwas nach Plan verläuft, dann allein die Tatsache, daß unsere Körper
irgendwann eine appetitliche Bekanntschaft mit den Würmern machen werden!
    Der Plan war folgender: Frühling, o du
farbenprächtiger Lenz, o du homöopathisches Viagra für angejahrte Männer, o du
junger Prinz unter den Jahreszeiten, der du selbst mein altes Blut zu
vitalisieren vermagst! Dieser gern gesehene Herrscher also stand vor den Toren
unseres Reviers und hatte bereits seinen frischen Atem in Gestalt wild
knospender Flora und verschwenderischen Sonnenscheins vorausgeblasen. Vorbei
die eisigen Weihnachtstage, an denen ich wie ein Narkotisierter auf, unter,
neben und, wie ich mich dunkel erinnere, bisweilen auch in der Heizung lag und
noch tagelang an den Knochen der Weihnachtsgans lutschte, die Gustav seinem
Kuhmagen entsprechend in der Größe einer Kuh zubereitet hatte. Vorbei auch Januar,
Februar und März, die Periode dieser flegelhaften Gebrüder, die sich ständig
untereinander darum zankten, ob es nun regnen, schneien, frieren oder neblig
werden sollte. Der Mai hatte schon einen Fuß in der Tür und ich meinen Kopf in
den Wolken.
    Ich blinzelte aus dem geöffneten Toilettenfenster
auf die Gärten an der Rückseite unseres Gründerzeitaltbaus, welche geradezu in
satten Farben und stimulierenden Wohlgerüchen explodierten.
Schmetterlingsschwärme flatterten über den im Irrgangmuster angelegten
Ziegelsteinmauern. Die verwitterten, meist aus Backstein erbauten Rückfassaden
der im Karree errichteten alten Häuser strahlten ungläubig wie Blinde nach der
erlösenden Operation. Vogelfamilien zwitscherten um die Wette, Menschenfamilien
ließen sich auf ihre Gartenliegen sinken und holten sich den ersten
Sonnenbrand. Und Mäusefamilien zeugten Nachwuchs, als gäbe es kein Morgen
beziehungsweise uns!
    Ach ja, der Plan! Er mochte sich für Außenstehende
vielleicht ein bißchen trivial anhören. Genauer gesagt handelte es sich auch um
gar keinen richtigen Plan, sondern schlicht und einfach um die Sehnsucht nach
dem Paradies. Noch genauer um den Wunschtraum, der mich jedes Frühjahr
heimzusuchen pflegt: nachmittags unter schattenspendenden Bäumen dösen, lahm
nach Fliegen haschen, beim Sonnenuntergang unbekümmert durchs Revier streifen,
den einen oder anderen Kollegen bei seinen Gaunereien überraschen und ihm eins
hinter die Löffel geben und schließlich die Herzensdame aufspüren und mit ihr
beim Sonnenaufgang eins werden. Kurz, die warmen Tage genießen.
    Ich gebe zu, daß derlei Hoffnungen in meinem Alter
mit der Wirklichkeit so viel zu tun haben wie der Engelsglaube bei Kindern.
Schließlich existiert ein unbestreitbarer Zusammenhang zwischen der realen
Jahreszeit und jener, in welcher man altersbedingt selber steckt. Und wenn ich
mir in letzter Zeit die stichelnden Bemerkungen meiner hochgeschätzten
Artgenossen, das brennende Desinteresse der schnurrhaarigen Damenwelt und die
immer mitleidiger werdenden Blicke von »tierlieben« Menschen bei meinem Anblick
vergegenwärtigte, befand ich mich längst im arktischen Winter! Doch sei’s drum,
ich hielt an dem Plan fest, denn wenn dieser mir auch nicht die Aussicht auf
einen zweiten Frühling verhieß, so doch immerhin die auf den sechzehnten.
    Es gab da allerdings einen gewaltigen Kontrast.
Nämlich den zwischen meiner frohgemuten Stimmung und der verzweifelten Lage, in
der sich Gustav gegenwärtig befand.
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