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Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)

Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)

Titel: Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
Autoren: Manfred Bomm
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Schwärze der Nacht nichts Außergewöhnliches. Auch der
Passagier, der in Reihe 21 auf Platz A saß, also in Flugrichtung links direkt
am Fenster, war wieder wach geworden. Einen Grund zur Beunruhigung empfand er
nicht. Dazu war er schon viel zu oft mit dem Flieger unterwegs gewesen, hatte
heftige Turbulenzen erlebt und gelegentlich auch ungewöhnliche Flugmanöver.
Doch dann kam die Durchsage, die für Entsetzen und Schrecken sorgte:
Notlandung, Schwimmwesten anziehen. Panik. Schreie. Mario Waghäusls Herzschlag
beschleunigte sich. Pulsrasen. Die beruhigende Stimme des Flugkapitäns im
Lautsprecher ging in dem Gemisch aus Stimmen und Motorengeräuschen unter.
Stewardessen eilten durch den Gang. Menschen sprangen auf, andere blieben wie
gelähmt sitzen.
     
    Vorn im Cockpit nahm die
Besatzung Kontakt zur Bodenkontrolle in Moncton auf. Seit ihrem Notruf waren
vier Minuten vergangen, und der Rauch, der sie einhüllte, wesentlich dichter
geworden. Der Kurskreisel des Kompasses stand auf 50 Grad – in
Richtung Halifax.
    Flugkapitän
Frohberger spürte Schweiß unter der Sauerstoffmaske. Sein Copilot hatte
inzwischen Mühe, im dichten Rauch die Instrumente noch zu erkennen. Der Zeiger
des Variometers, das die Sinkgeschwindigkeit angab, war ganz nach unten
gerichtet.
    Dann
endlich wieder die Stimme der Flugverkehrskontrolle im Kopfhörer. Kurs ändern
auf 30 Grad. Eine Linkskurve also. Und dann zur Landebahn 06 eindrehen. 06
stand für die Landerichtung – nordöstlich. Die Lotsen hatten
einen Direktanflug anvisiert. Aber dazu war der Airliner noch viel zu hoch. 21
000 Fuß wären auf den restlichen 30 Seemeilen nicht abzubauen. Frohberger
teilte dies mit und erhielt die Anweisung, sofort auf Nordkurs zu gehen, um
dann während einer vollen Linksdrehung an Höhe zu verlieren und einen erneuten
Landeanflug zu machen.
     
    Chaos im Passagierraum. Kinder
heulten, Frauen kreischten und ein Mann schrie: »Wir sterben.« Der rasche
Höhenverlust und die Steilkurve, die plötzlich in die entgegengesetzte Richtung
drehte, hatten Todesängste ausgelöst. Es war, als käme der Jet ins Trudeln.
    »Bitte bleiben Sie ruhig«, versuchte eine Stewardess,
über die Bordlautsprecher die Menschen zu besänftigen. Doch ihre Stimme klang
schrill und verbreitete alles andere als Gelassenheit. Sie wiederholte das
Gesagte auf Englisch. Niemand hörte zu. Die meisten Passagiere waren längst in
Panik verfallen. Das Anziehen der Schwimmwesten verursachte ein heilloses
Durcheinander, weil niemand so genau wusste, wo welches Band durchgezogen oder
befestigt werden musste. Einige betätigten bereits die Automatik, mit der sich
die Westen aufbliesen. Doch in Hektik und Panik nutzten auch die Angebote der
Stewardessen nichts, die versucht hatten, der Reihe nach zu helfen. Nur einige
wenige Passagiere waren ruhig sitzen geblieben, nachdem sie die gelben Westen
übergestreift hatten. Es schien so, als würden sie sich dem Schicksal ergeben.
Auch Mario Waghäusl blieb still. Obwohl er seit Kindheitstagen nicht mehr
gebetet hatte, entsann er sich jetzt seines Schutzengels. Es fiel ihm sogar
spontan ein Gebet ein.
    Unten
zogen die Lichter einiger kleiner Orte der kanadischen Provinz Nova Scotia
vorbei. Sie würden jetzt über die St. Margaret’s Bay kommen und von dort aus,
weiter sinkend, erneut Halifax anfliegen.

5
     
    Jedes Mal, wenn sich diese
Bilder ihrer bemächtigten, hatte Karin Waghäusl das Gefühl, sie mit allen
psychischen und physischen Schmerzen körperlich zu durchleben. Den raschen
Sinkflug, die Steilkurven, die Ungewissheit. Während ihrer vielen Flugreisen
hatte es einige Situationen gegeben, die ihr bis heute rätselhaft erschienen.
Einmal waren sie um Mitternacht in Bombay kurz vor dem Aufsetzen durchgestartet
und erst bei einem zweiten Anflug gelandet – ohne,
dass sie jemals erfahren hatten, was geschehen war. Endlos lang erschien ihr
rückblickend auch der Nachtflug nach Südafrika, als sie über dem Schwarzen
Kontinent Stunde um Stunde von heftigen Turbulenzen geschüttelt worden waren.
Sie hatte damals einen Fensterplatz an den Tragflächen gehabt und im Schein der
Positionslichter gesehen, wie die Naturkräfte an dem Airliner zerrten und die
Tragflächen nach oben und unten gerissen wurden – als
würden sie jeden Moment wie ein Stück Holz zerbersten.
    Mario
war in solchen Fällen ihr Ruhepol gewesen. Alles ganz normal, hatte er ihr
zugeflüstert. Die Konstruktion eines Flugzeugs sei auf solche Gewalten
ausgerichtet und
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