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Das silberne Zeichen (German Edition)

Das silberne Zeichen (German Edition)

Titel: Das silberne Zeichen (German Edition)
Autoren: Petra Schier
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musterte. «Gut so?», fragte Marysa und musste sich zwingen, mit ihrer Hand nicht über die sanfte Wölbung ihres Bauches zu streicheln. Sie drehte sich so, dass Jolánda sie von der Seite sehen konnte. Währenddessen schnürte sie ihre bestickte Leinenhaube enger, unter der sie ihre üppigen rotbraunen Locken aufgesteckt hatte. «Gottlob ist es ein kalter Winter. Niemand wird sich über dieses Kleid wundern.»
    «Marysa …» In Jolándas Augen trat ein besorgter Ausdruck. «Es wird nicht mehr lange dauern, bis auch der reichste Faltenwurf deinen gesegneten Zustand nicht mehr verbergen kann. Was willst du dann tun?»
    Marysa kräuselte die Lippen und setzte sich neben ihre Mutter. «Das weiß ich nicht. Aber ich gehe davon aus, dass ich bis dahin verheiratet bin.»
    «Liebes, er kommt nicht mehr zurück.» Das sanfte Drängen in Jolándas Stimme ließ Marysa die Stirn runzeln, doch sie antwortete nicht. «Es sind nun schon fast drei Monate!», fuhr ihre Mutter fort. «Er behauptete, im Januar zurück zu sein.» Jolánda ergriff die Hände ihrer Tochter. «Wie lange kann eine Reise nach Frankfurt wohl dauern?»
    Kopfschüttelnd entzog Marysa ihr wieder die Hände und verschränkte sie im Schoß. «Es wird einen guten Grund für seine Verspätung geben.»
    «O ja, ganz bestimmt.» Jolándas Stimme wurde unversehens scharf, und ihre grünen Katzenaugen, die sie ihrer Tochter ebenso vererbt hatte wie die ungebärdigen Locken und die grazile Gestalt, blitzten auf. «Er hat dich belogen. Er hat sich auf und davon gemacht, nachdem er sich mit dir vergnügt …»
    «Nein!» Marysa wurde zornig. «Das hat er nicht getan. Er ist kein Lügner, Mutter.»
    «Aber ein Betrüger», erwiderte Jolánda erregt. «Jahrelang hat er sich als jemand ausgegeben, der er nicht ist. Glaubst du, so etwas legt man einfach ab wie eine alte Heuke? Ich hätte es von Anfang an wissen und ihm den Hals umdrehen sollen, als ich noch die Gelegenheit dazu hatte!»
    «Mutter …»
    «Nein, hör mir zu. Er hat uns alle an der Nase herumgeführt. Ich gebe zu, dass auch ich auf ihn hereingefallen bin. Er wirkte so aufrichtig, und ich dachte wirklich, dass er dich liebt. Aber nun … Átkozott! », fluchte sie in ihrer Muttersprache. «Ich kratze ihm die Augen aus, wenn ich ihn in die Finger kriege! Was hat er dir nur angetan!»
    «Nichts, Mutter.»
    «Du bist schwanger, Marysa!» Jolánda fasste ihre Tochter fest an den Schultern. «Das hat er dir angetan! Und dann hat er sich aus dem Staub gemacht, dieser Csaló . Wenn er …»
    «Nein.» Marysa bemühte sich um Ruhe, doch ihre Stimme zitterte leicht vor unterdrückter Wut. «Dass ich schwanger bin, ist genauso meine Schuld. Ich habe meinen Gefühlen nachgegeben, das kannst du mir vorwerfen. Vielleicht habe ich in jenem Moment nicht an die möglichen Folgen gedacht, dennoch wusste ich genau, was ich tat.»
    Jolánda stieß einen resignierten Laut aus und zog sie an sich. «Ich weiß, Marysa. Du bist zu sehr meine Tochter, als dass ich daran zweifeln könnte. Anscheinend ist es doch nicht gut, dass ich dir einen Teil meines Temperaments vererbt habe. Es verleitet uns zu unbesonnenem Handeln.» Plötzlich traten Tränen in Jolándas Augen. «Was soll jetzt werden, Kind? Du kannst nicht den Bastard eines Mannes austragen, der sich jahrelang als Ablasskrämer ausgegeben hat. Wenn das Kind ihm auch nur eine Winzigkeit ähnlich sieht – oh, ich darf gar nicht daran denken! Am besten wäre es, du würdest sofort heiraten. Doch welcher Mann würde dich schon nehmen mit dem Kind eines anderen unter dem Herzen? Marysa, du steckst in einer ausweglosen Situation. Die einzige Möglichkeit wäre …» Sie stockte und senkte den Blick.
    «Nein, Mutter.» Marysa starrte sie entsetzt an. «Ich werde nicht zu einer Engelmacherin gehen.»
    Jolánda schluchzte leise. «Das will ich ja auch gar nicht. Aber was, wenn es der einzige Ausweg ist? Isten őizz! Gott bewahre! Sieh den Tatsachen endlich ins Auge: Er hat dich sitzenlassen … oder es ist ihm etwas zugestoßen. Vielleicht tun wir ihm ja unrecht, und er ist tot. Das macht deine Lage jedoch auch nicht besser.»
    Marysa wurde blass. «Er wird zurückkehren.» Sie stand auf und zupfte erneut an ihrem Kleid herum. «Er hat es mir versprochen.» Um ihre aufgewühlten Gefühle zu besänftigen, atmete sie mehrmals tief ein und aus. «Und nun lass uns gehen, Mutter. Bardolf wird schon ungeduldig warten. Ich bin wirklich froh, dass ihr mich zu dem Fastnachtsbankett der
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