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Blutsverwandte: Thriller (German Edition)

Blutsverwandte: Thriller (German Edition)

Titel: Blutsverwandte: Thriller (German Edition)
Autoren: Jan Burke
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war und so zielstrebig alles erreichte, was er sich in den Kopf gesetzt hatte. Graydon wusste, dass die Familie Giles alles bedeutete, doch als er ihn nun beobachtete, fragte er sich besorgt, ob Giles’ Einsatz ihm nicht zu viel abverlangte.
    »Wenn er nicht so nervös aussähe, hätte ich darauf gewettet, dass er diesen Anruf arrangiert hat, um der Auseinandersetzung mit dir zu entfliehen«, sagte Edith und legte eine Gartenzeitschrift beiseite, in der sie während des Streitgesprächs scheinbar gelesen hatte.
    Graydon schmunzelte. »Vermutlich weiß Giles, dass er mir nicht so leicht davonkommt. Er setzt nicht immer seinen Willen durch, weißt du.«
    Sie sah aus, als wollte sie etwas erwidern, vertiefte sich jedoch erneut in ihre Zeitschrift.
    Keiner von beiden war Graydons leibliches Kind. Keines der einundzwanzig Kinder, die er als Adoptivsöhne und -töchter angenommen hatte, und auch keines der unzähligen anderen, die im Lauf der Jahre als Pflegekinder oder auch auf weniger offizieller Basis hier gelebt hatten, war sein leibliches Kind.
    Sowohl Graydon als auch seine verstorbene Frau Emma waren die einzigen Abkömmlinge reicher Eltern gewesen. Nachdem Graydon und Emma geheiratet hatten, gründeten sie – im Einklang mit ihren persönlichen Bildungs- und Erziehungsidealen – eine innovative Privatschule, die Fletcher Academy. Die Schule galt weithin als beste Privatschule in der Gegend und zählte zu den fünf besten Schulen Kaliforniens. Die Fletchers hielten stets Plätze für vielversprechende Schüler frei, die sich andernfalls keine so erstklassige Ausbildung hätten leisten können.
    Als Emma und Graydon Fletcher feststellten, dass sie keine eigenen Kinder bekommen konnten, wurden sie Pflegeeltern. Pflegekinder, die sich keine Hoffnungen machen konnten, ein neues Zuhause zu finden, adoptierten sie. Andere kamen auf inoffizielleren Wegen zu ihnen – Kinder, von denen Emma sagte, dass sie zwar ein Dach über dem Kopf hätten, aber kein Zuhause. Graydon und Emma überschütteten sie mit Zuwendung und Aufmerksamkeit, hörten sich ihre Sorgen an, linderten ihre Ängste und brachten ihnen bei, sich umeinander zu kümmern, wenn sich einmal niemand sonst um sie kümmerte. Sie regten alle Kinder an, ihre Begabungen zu entwickeln, und hielten ihre lebhafte Familie mit Projekten und Unternehmungen auf Trab.
    Verlassene oder als hoffnungslos abgestempelte Kinder wurden gute Schüler, die lernten, dass es von Vorteil war, mit anderen zu kooperieren. Niemand konnte Graydon und Emma ihren Stolz auf sie verdenken. Sie hatten die verlorenen Kinder von Las Piernas aufgenommen und der Gesellschaft erfolgreiche Führungspersönlichkeiten, Geschäftsleute und Akademiker zurückgegeben. Die Fletchers nutzten ihren Reichtum und ihre immer weiter wachsenden familiären Verbindungen, um diesen Kindern zu helfen, ihren Platz in der Welt zu finden, ihre Träume zu verwirklichen und gebraucht zu werden.
    Die Fletchers waren für ihre Großzügigkeit reich belohnt worden, fand Graydon. Während sich nur ein paar seiner Kinder von der Familie gelöst hatten und weggezogen waren, hielten die meisten engen Kontakt zu ihm und lebten in der Nähe. Jedes Haus in der Straße gehörte inzwischen einem seiner Kinder. Sie kümmerten sich umeinander, halfen sich bei Schwierigkeiten und investierten in die Firmen der anderen. Sie leisteten großzügige Spenden an die Schule, adoptierten zu ihren leiblichen noch weitere Kinder und nahmen Pflegekinder auf. Lächelnd sann Graydon darüber nach, wie sehr es seine verstorbene Frau gefreut hätte, zu sehen, dass ihre Träume weiterlebten.
    Seit Emmas Tod verbrachte er seine Zeit lieber mit seinen Enkeln und weniger mit Büroarbeiten. Die Verwaltung vieler seiner Beteiligungen an Firmen und Wohltätigkeitsorganisationen übertrug er seinen Kindern. Und deshalb war Giles jetzt hier, denn Giles leitete die Fletcher Academy.
    Giles beendete sein Telefongespräch, blieb jedoch draußen stehen und blickte in den Garten. Als er sich umwandte und wieder ins Haus zurückkehrte, zog er eine finstere Miene.
    »Setz dich doch, Giles«, sagte Graydon, sowie Giles ins Zimmer kam. »Ich hoffe, du hast keine unerfreulichen Nachrichten bekommen?«
    »Nein, nein … nur etwas Geschäftliches.« Er setzte sich auf einen Stuhl neben Graydon. »Ich habe heute viel zu tun.«
    »Du hast dich enorm für die Schule eingesetzt. Ich hoffe, du weißt, wie dankbar ich dir dafür bin.«
    Giles wirkte langsam etwas entspannter.
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