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Blutsbrüder

Blutsbrüder

Titel: Blutsbrüder
Autoren: Ravensburger
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Wahrscheinlich, hab ich das richtig verstanden, an diesem oder jenem Ort hier irgendwo in der Gegend?«
    Der Polizeibeamte schaut seinen Kollegen an. Der Kollege grinst beifällig und guckt dabei gelangweilt.
    »Schön, dass du an uns denkst, mein Jung e – oder muss ich ›Sie‹ sagen? Aber ahnst du überhaupt, wie oft sich in der Stadt, in diesem Viertel, an jedem Tag, in jeder Nacht an diesem oder jenem Ort in Kreuzberg oder Neukölln zwei Jungen prügeln wollen? Solange sie es nur wollen, prügeln sie sich noch nicht.«
    Alles sinnlos, denkt Darius, totaler Quatsch. Ich muss mit Hakan reden, ich muss ihm von meiner Begegnung auf dem Fabrikgelände erzählen und ich muss ihn überzeugen.
    Als Hakan den kleinen Park zur Hälfte durchquert und sich nicht umgedreht hat, holt Darius ihn ein, überwindet sich und tippt ihm an die Schulter.
    Hakan zuckt nicht zusammen. Nur scheinbar gelassen dreht er sich um. Dann erkennt er Darius, der die Blessuren in Hakans Gesicht erschrocken betrachtet.
    »Ach, du schon wieder.« Hakan kratzt sich neben einem Pflaster am Kinn. »Lass mich in Ruhe. Das Ganze geht dich nichts mehr an.«
    Darius beherrscht sich, obwohl es ihm schwerfällt.
    Als Hakan weiterredet, klingt seine Stimme eine Spur verächtlich. »Ich weiß, was du willst. Und was auch Alina will: Ich soll Emre aus dem Weg gehen. Ich soll mich vor dem Cousin vorsehen und überhaupt vor Emres Familie. Ich soll die Sache auf sich beruhen lassen. Mit einem Wort: Ich soll kneifen. Aber das geht nicht, ich werde mich stellen. Ist übrigens auch besser für euch.«
    Er macht eine Pause und lacht. Doch das Lachen klingt unschön und verloren.
    »Ach ja: Herzlichen Glückwunsch.«
    Er kramt ein Foto aus seiner Aktentasche, die er seit der Oberstufe benutzt und die er offenbar mitgenommen hat, um seine Mutter nicht zu beunruhigen. Das Foto ist gerahmt und zeigt Hakan und Darius vor der Sprossenwand einer Turnhalle. Unter der Aufnahme steht: Glückwunsch den Auswahlspielern .
    »Hab ich schon vor drei Wochen machen lassen.«
    Hakan spricht eigenartig beiseite, blickt Darius nicht an.
    »Hättest weiter trainieren sollen.«
    Was soll das jetzt?, denkt Darius. Lenkt er ein? Will er sich noch mal entschuldigen? An alte Zeiten anknüpfe n – was will er?
    Verlegen tritt Darius von einem Fuß auf den anderen. Er möchte etwas sagen, aber Hakan dreht sich weg, bückt sich zu seiner Tasche, um sie zu schließen.
    Darius bückt sich ebenfalls. Behutsam steckt er das Foto in seinen Rucksack.
    »Danke«, sagt er leise.
    Hakan reagiert nicht. Bis es unvermittelt aus ihm herausbricht: »Weißt du, was ihr nicht versteht? Was Stolz ist. Und was Respekt. Stolz ist auch Respekt vor sich selber. Und das versteht ihr nicht.«
    »Wer ist ›ihr‹?«
    Darius schließt den Rucksack und richtet sich ruckartig auf.
    »Ihr Deutschen.« Hakan zögert.
    Dann blickt er Darius starr ins Gesicht. »Die Nazis, die verstehen das besser.«
    Darius spürt, wie eine plötzliche Wut sein Gesicht heiß werden lässt. Alles, was er sich vorgenommen und zurechtgelegt hat, ist mit einem Schlag vergessen. Er will etwas sagen, bekommt aber kein Wort über die Lippen. Ansatzlos schlägt er Hakan die flache Hand ins Gesicht.
    Hakan betrachtet ihn lange. Darius hat erwartet, Hakan werde zurückschlagen, aber das tut er nicht. Stattdessen erkennt Darius in Hakans Augen eine Traurigkeit, dunkel und bodenlos wie ein Abgrund. Mit einer Stimme, der jeder Mut, alle Hoffnung abhandengekommen ist, entgegnet der frühere Freund: »Ihr versteht mich nicht. Nicht mal Alina. Keiner von euch. Auch du nicht.«
    Als Darius nach der Schule die Stufen zur neuen Wohnung hochsteigt, fühlt er sich leer und ausgelaugt. Vor der Wohnungstür wartet schon Rike.
    »Wie liefen deine Bewerbungen?«, fragt Darius lahm, ohne ihr einen Kuss zu geben.
    »Der zweite Tag ziemlich gut.« Sie erhebt sich von der Schwelle. »Ich habe eine Stelle, eine Lehrstelle als Schlosseri n – so wie ich es wollte.«
    »Glückwunsch«, murmelt Darius matt.
    »Ebenfalls«, entgegnet Rike und schaut ihn verwundert an.
    »Danke«, erwidert Darius abgelenkt und schließt die Wohnungstür auf.
    Als Rike in den hohen, von der Sonne durchfluteten Gemeinschaftsraum gehen will, läuft er an ihr vorbei zur Küche. Er setzt sich an den großen Tisch, legt den Kopf auf die Hände und schweigt.
    »He«, wispert Rike, »nicht so missmutig! Du bist achtzehn, volljährig, ich muss noch ein Jahr warten! Und außerdem, du Primel, hab
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