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Blutsbrüder

Blutsbrüder

Titel: Blutsbrüder
Autoren: Ravensburger
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vielleicht in Portugal ? –, in der niemand außer ihnen ist, das T-Shirt und das Badezeug ausziehen, um nackt zu schwimmen und zu tauchen und einander nahe zu sein.
    »Es geht nicht«, sagt Darius.
    Mit einem Schritt ist Rike bei ihm, fetzt ihm den Haifischzahn vom Nacken, reißt das nächste Fenster auf und wirft ihn hinaus auf die Straße.
    Die langstieligen Gläser sind in der Spüle umgefallen und eines ist zerbrochen.
    Rike stößt das Fenster zurück in den Rahmen, so fest, dass an einer Ecke ein feiner Riss im Glas entsteht, dreht sich zu Darius um, ihre Augen glühen vor Zorn. Einen Moment scheint sie nicht zu wissen, was sie weiter tun soll, dann klaubt sie das rote Schächtelchen vom Küchentisch, zerknüllt es, wirft es auf das Linoleum und tritt mit aller Kraft mehrmals drauf.
    »Okay.« Sie spricht gefährlich leise. »Du bist ein Vollidiot.«
    Damit lässt sie Darius in der Küche sitzen, rauscht den Flur entlang, wobei sie noch ein paarmal »Idiot! Idiot!« vor sich hin zischt, kramt in der Diele ihre Sachen zusammen und knallt die Wohnungstür mit Wucht hinter sich zu.
    Darius hört ihre Schritte im Treppenhaus, und während er mit der schwarzen Schleife spielt, die Rike zurückgelassen hat, wartet er darauf, traurig zu sein. Aber die Empfindung stellt sich nicht ein. Im Gegenteil, er hat das Gefühl, richtig entschieden zu haben.
    Er erhebt sich, wirft die Scherben in den Müll, schiebt die schwarze Schleife in seine Hosentasche und wäscht sich im Badezimmer ausführlich das Gesicht.
    Als er den Blick zum Spiegel hebt und seine Augen darin auftauchen sieht, beginnt er zu lächeln. Er nickt dem Bild zweimal zu und beglückwünscht sich zu seiner Volljährigkeit.

9
    Die Luft riecht nach Kerosin und gärendem Kompost. Kein Geräusch von Propellerturbinen, kein Rotor eines Hubschraubers. Die Nacht ist wie ein Tuch aus schwüler Hitze und nahem Regen.
    Darius wartet. Hakan hat jeden seiner Versuche, noch einmal mit ihm zu reden, brüsk unterbunden, indem er bei Darius’ Anrufen sofort aufgelegt und schließlich sein Handy abgeschaltet hat. Daraufhin hat ihn Darius nachmittags nach der Fußball-AG nicht mehr aus den Augen gelassen.
    Der Glockenschlag der katholischen Kirche, Viertel nach elf. Fern hinterm Freibad glaubt Darius das Minarett über den Bäumen zu erkennen, wenn sich der kreisende Lichtschein dem weißen Bauwerk nähert.
    Er duckt sich hinter zwei eingesunkene Grabsteine. Die zusammengestürzte Mauer eines Mausoleums wirft ihren Schatten und lässt ihn darin verschwinden, sobald der Scheinwerfer des Flughafens über den Friedhof streicht.
    Links von ihm wartet, knapp zwanzig Meter entfernt, Hakan, der ihn nicht bemerkt hat, weil er angespannt vor sich auf die Friedhofsmauer starrt. Von hier aus wirkt sie klein, verfallen, ein Schemen in der Dunkelheit. Hakan richtet sich auf.
    Wieder gleitet das Licht des gleichmütigen Scheinwerfers über den Friedhof. Der Himmel ist bedeckt, kein Mond zu sehen.
    Darius atmet so leise wie möglich. Er weiß, dass Hakan ruhig ist, eins mit sich und seinem Entschluss, vielleicht ein bisschen traurig oder wehmütig, aber innerlich gelassen. Darius riecht den vertrauten Geruch der fauligen Blätter und tastet mit der rechten Hand nach seiner Jackentasche.
    Inzwischen sind Emre und zwei Begleiter über die Friedhofsmauer gestiegen und haben Hakan in einem losen Halbkreis inmitten der Gräber umringt.
    Bei dem einen handelt es sich um Ömer, auch der andere wirkt eher jun g – wie der jüngere Araber, der die alte Frau mit dem Hund provoziert hat.
    »Jetzt ist es so weit«, sagt Emre.
    Schweigend blickt Hakan ihn an und nickt.
    Wieder streicht der Scheinwerfer über sie hinweg, als treibe er das Geschehen unbarmherzig voran.
    »Entschuldige dich«, sagt Emre, »entschuldige dich einfach nur.« Seine Stimme klingt fast verzweifelt. »Entschuldige dich einfach bei meinem Bruder.«
    Hakan knurrt.
    Darius tastet nach seiner Jackentasche.
    Hakan, jetzt nah bei einem leise quietschenden Gittertor, macht einen Schritt nach vorn und einen zurück, wie bei einem Tanz auf der Stelle. Er scheint das Licht des Scheinwerfers vom Flugplatz abzuwarten, ehe er beinahe beiläufig erwidert: »Nein, Emre, nicht bei di r … und«, fügt er hinzu, »schon gar nicht bei deinem Bruder.«
    Wieder wartet er einen Moment, um danach betont ruhig und ohne Häme in der Stimme fortzufahren: »Er ist ein mieser, kleiner, dreckiger Hurensohn.«
    Emre zischt.
    Er zischt wie in der
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