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Blutsbrüder

Blutsbrüder

Titel: Blutsbrüder
Autoren: Ravensburger
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wartet, denkt Darius, ohne zu wissen, warum er sich darin so sicher ist: Es stimmt. Er hätte eingegriffen.
    Nach einem Augenblick der Stille, nur die Grille lärmt ohne Unterbrechung, fügt Emre nachdenklich hinzu: »Außerdem weiß ich, was Hakan fühlt. Deshalb wird er sich mir stellen.«
    Er lässt die Unterhose fallen und stützt sich auf das wackelige Geländer eines Kelleraufgangs.
    Bevor Darius spöttisch ›Ach ja?‹ erwidern kann, fährt Emre, trotz seines Hinkens mit einer Haltung, die Darius Respekt abnötigt, fort: »Obwohl er behauptet, deutsch zu sein, verteidigt er seine Ehre. Weil er, anders als ihr Deutschen, Stolz und Ehre hat.«
    »Hm.« Darius schnauft. »Was heißt das?«
    »Na ja«, murmelt Emre und macht eine wegwerfende Handbewegung. »Ich werd mich bei ihm melden: Nur er und ich und danach ist alles beigelegt.«
    Emre lächelt sein beiläufiges Lächeln, während Darius merkt, wie die Hitze ihm zusetzt und ihm der junge Pitbull auf Arm und Hose pinkelt.
    »Und jetzt?«, fragt Emre, der so tut, als habe er von dem Malheur nichts bemerkt. »Was wirst du mit den Viechern tun? Töten?«
    Er deutet mit dem Kinn auf den jungen Hund und das angeleinte Tier zu Darius’ Füßen.
    »Hunde«, entgegnet Darius und kommt sich ratlos wie selten vor, »Hunde sind unreine Tiere. Du kannst sie haben.«
    Er zerrt das angespitzte Eisen mit einem Ruck aus der Erde und schleudert die Stange in ein Gebüsch.
    Dann dreht er sich um und läuft zwischen leeren Fensterhöhlen und Schuppen, die in der Hitze nach Holz und Beize riechen, über das verlassene Fabrikgelände davon.
    ***
    Volljährig, denkt Darius, als ihn sein Handy früh am nächsten Morgen weckt und er aus dem Schlaf fährt.
    Achtzehn Jahre alt.
    Er schlägt das Laken zurück, das er statt des Federbetts benutzt, verflucht wie jeden Tag die Hitze, genießt es, in einem so großen Zimmer wie dem hohen, hellen Gemeinschaftsraum wach zu werden, schaut aus dem Fenster, sieht, dass sich am strahlend blauen Himmel einige Wolken sammeln, weiß wie Watte, nur manche an den Rändern braun und grau.
    Darius unterdrückt einen erneuten Anflug von Niedergeschlagenheit, geht in die Dusche und schaltet im Vorbeigehen die Kaffeemaschine an.
    Danach beeilt er sich.
    Um fünf Minuten vor sieben steht er hinter einem noch geschlossenen Kiosk, hat einen Kaffee und ein Croissant vor sich auf ein schmales Brett gestellt und liest Rikes SMS, Glückwünsche zum Geburtstag, Küsse, und dass sie einen Termin hab e – danach komme ich direkt zu dir!
    Auch Alina hat ihm geschrieben und ihm zum Geburtstag gratuliert. Nur klingt ihre SMS weniger optimistisch, eher besorgt.
    Sie drängt ihn, unbedingt mit Hakan zu reden. Entschuldigt sich, dass sie nicht mitkommen könn e – ich , schreibt Alina, liege im Bett, habe Fieber. Ich schlaf noch ein bisschen. Nach gestern Nachmittag kann ich einfach nicht mehr.
    Das war’s, denkt Darius, ich bin allein. Nicht anders als früher, bevor ich Hakan getroffen habe.
    Der kleine Kiosk verbirgt Darius. Er hat das Haus im Blick, unbemerkt für alle, die es verlassen. Hakan, nach wie vor lädiert, tritt früher als sonst auf die Straße, schaut sich vorsichtig um, überquert die Fahrbahn, schlägt einen Bogen und verschwindet in einem kleinen Park. Obwohl er Richtung Schule läuft, ahnt Darius, dass er nicht am Unterricht teilnehmen wird.
    Vielleicht will er sich auf die Begegnung mit Emre vorbereite n – falls der sich schon gemeldet hat.
    Aber davon geht Darius nach Emres Reden auf dem Gelände aus. Sie werden sich, denkt Darius, noch heute Nacht treffen.
    Trotz allem, überlegt er weiter, wird Hakan die Besprechung während der Fußball-AG am Nachmittag nicht ausfallen lassen, weil die Mannschaft, der er sich verpflichtet fühlt, bald ein Trainingsspiel austrägt. Anschließend wird er mit seiner Mutter zu Mittag essen, um den gewohnten Ablauf aufrechtzuerhalten und so dafür zu sorgen, dass sie sich nicht noch mehr Gedanken oder Sorgen macht, als sie es in letzter Zeit sowieso schon tut.
    All das kann Darius sich ausrechnen, weil er Hakan und dessen Mutter kennt. Er folgt ihm in sicherem Abstand.
    Für Momente gibt er sich der Überlegung hin, die Polizei zu benachrichtigen, wie es Alina ohne rechte Überzeugung gestern vorgeschlagen hat.
    Er sieht sich auf die Wache kommen, mit einem der Beamten reden, auf dessen Gesicht sich erst Zweifel, dann eine resignierte Belustigung abzeichnen.
    »Ah, zwei Jungs wollen sich also prügeln?
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