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Was im Leben zählt

Was im Leben zählt

Titel: Was im Leben zählt
Autoren: Allison Winn Scotch
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    Eins
    S tellen Sie sich – wenn Sie können – vor, Sie wären wieder sechzehn. Erste Küsse sind noch im Rahmen des Möglichen, all die schwindelerregenden Möglichkeiten, die das Leben bereithält, wohnen als tanzende Schmetterlinge in Ihrem Bauch, und das perfekte Satinkleid samt passendem Rosenarmband vermag Ihnen noch das Gefühl zu geben, schöner zu sein, als Sie es sich je hätten träumen lassen. Gönnen Sie sich einen Moment, lehnen Sie sich zurück und stellen Sie sich all diese Dinge vor. Versetzen Sie sich zurück in dieses berauschende Gefühl, schmecken Sie es, schwelgen Sie darin, und Sie werden verstehen, weshalb ich – zweiunddreißig Jahre alt, verheiratet und verzweifelt auf ein Kind hoffend – die Prom Night, Höhepunkt des Highschooljahres, noch immer so liebe. Ich verstehe, dass Sie das vielleicht nicht nachvollziehen können und womöglich glauben, ich wäre irgendwo in meiner Entwicklung steckengeblieben. Vielleicht halten Sie mich auch für eines jener Mädchen, die Sie auf der Schule mit Freuden gehasst hätten. Aber so ist es nicht: Ich liebe die Prom Night für all das, was sie repräsentiert – Hoffnung, Unschuld, unendliche Möglichkeiten. Ich möchte, dass Sie das verstehen, ehe Sie mich verurteilen, ehe ich Ihnen meine Geschichte erzähle. Sie müssen verstehen, dass ich mir durchaus klar darüber bin, dass ich mich seit meiner eigenen Prom Night schon lange hätte weiterentwickeln müssen. Aber ich kann einfach nicht anders. Ich liebe die berauschende Vorfreude, das Gewusel auf der Tanzfläche, den kollektiven Adrenalinstoß, ehe King und Queen gekrönt werden.
    Und jetzt ist wieder einmal Juli, ein Schuljahr liegt hinter uns, das nächste ist bereits in Sicht, die Ebbe zieht den Abschlussjahrgang zum Tor hinaus, die Flut bringt die Neuen mit, und wie bereits in den vergangenen fünf Jahren sitze ich an der Planung für den Abschlussball. Und zwar mit Liebe und Leidenschaft, oh ja! Die Prom Night ist mein Baby! Willkommen in meinem Leben.

    Ich sitze am Schreibtisch in meinem Büro und klopfe mit dem Radiergummi gegen den gelben Notizblock. Dieser Abschlussball wird alles in den Schatten stellen! , denke ich. Stadt der Lichter: Westlake Goes Paris! Letztes Jahr lautete unser Motto «Unten im Meer», was ein bisschen lahm war. Und das Jahr zuvor hätte die Entscheidung zwischen den Wilden Zwanzigern und den Siebzigern fast das Festkomitee gesprengt. Um Handgreiflichkeiten zwischen dem Schulleiter und der Verbindungslehrerin zu verhindern, einigte man sich schließlich auf die Fünfziger, was total danebenging. Die Hälfte der Kids ließ das Thema völlig kalt, und die anderen tauchten in Petticoats und viel zu engen Anzügen auf, die sie sich von ihren Eltern geliehen hatten, und fühlten sich den ganzen Abend lang extrem unwohl; von feierlicher Stimmung keine Spur.
    Bei der Vorstellung, in unserer Turnhalle einen Miniatur-Eiffelturm aufzubauen, wird mir ganz schwindelig. Ich kann es kaum erwarten, Baskenmützen als Geschenke zu verteilen. Dass keiner von uns je in Paris gewesen ist, spielt keine Rolle. Im Gegenteil. Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück, bis die Räder quietschen. Ja, diesen Dezember wird es perfekt sein. Stadt der Lichter. Parfait!
    An der Westlake High School findet die Prom Night bereits im Dezember statt. Diese abweichende Tradition ist fast zwanzig Jahre alt und nahm in dem Jahr ihren Anfang, als die Lehrergewerkschaft damit drohte, das ganze Frühjahr durch zu streiken, und die Schüler den Direktor bestürmten, den Abschlussball zur Sicherheit auf den Winter vorzuverlegen, aus Furcht, des krönenden Abschlusses und Höhepunktes ihrer schulischen Laufbahn beraubt zu werden. Der Schulleiter fügte sich, die Schüler bekamen ihren Abschlussball, und im folgenden Jahr machte niemand sich die Mühe, den Termin zurückzuverlegen. Bis heute nicht.
    Und obwohl erst Juli ist und die Prom Night noch in weiter Ferne liegt – eine Hitzewelle drückt aus Montana zu uns herüber; die Sonne strahlt bis neun Uhr abends, und mindestens ein Drittel der Schülerschaft musste sich zähneknirschend für das Ferienschulprogramm einschreiben –, hat meine To-do-Liste bereits beträchtliche Länge erreicht und wächst sekündlich weiter. Abgesehen davon liegen noch ein paar andere drängende Angelegenheiten auf meinem Schreibtisch: Genehmigung der Nachprüfung für Alex Wilkinson, der bereits am dritten Ferientag aus dem Algebrakurs geworfen
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