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Blitz und der Brandfuchs

Blitz und der Brandfuchs

Titel: Blitz und der Brandfuchs
Autoren: Walter Farley
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halbe Vormittag war vergangen, als die Nachteule die Rundfahrt um die Insel Azul beendet hatte und an ihrem Ausgangspunkt, der Landzunge gegenüber, anlangte. Alec stand aufgerichtet im Bug, durchnäßt vom Gischt, der ihn bei der schnellen Fahrt übersprüht hatte; er ließ die Augen nicht von der Küstenlinie.
    Henry trat neben ihn. „Jetzt bist du doch überzeugt, daß er hier nicht sein kann, nicht wahr, mein Junge? Wir sind doch nun...“
    Alecs Gesicht zeigte plötzlich einen gespannten Ausdruck. „Schnell, gib mir das Fernglas, Henry! Schnell, schnell!“ rief er heiser.
    „Aber wir haben...“
    „Schnell das Glas!“ wiederholte Alec atemlos und griff hastig danach, als es Henry ihm mit verwundertem Kopfschütteln gab. Mit zitternden Händen hielt er es an die Augen.
    Der Himmel hatte sich bezogen. Nebel lag über der Landzunge. Alec suchte nach etwas, durch das die Bewegung verursacht worden war, die er in der geisterhaften Beleuchtung bemerkt hatte.
    Henry mahnte: „Gebrauch deinen Verstand. Alec! Er kann doch nicht auf der Landzunge sein. Ich sagte dir schon...“
    „Dort hat sich aber etwas bewegt! Ich habe es gesehen!“
    „Vielleicht war es der Vampir!“
    „Dafür war es zu groß! Viel zu groß!“
    „Wenn es Blitz wäre, hätte er uns viel früher gesehen und sich bemerkbar gemacht.“
    Alec hielt das Fernglas fest auf die Landzunge gerichtet. Nach einer Weile sagte er ruhig: „Ich bin sicher, daß er dort ist, Henry!“ Seine Stimme war tonlos.
    „Willst du damit sagen, daß du ihn siehst?“ fragte der alte Trainer ungläubig.
    „Nein... aber gleich...jeden Moment...“
    Henry schüttelte den Kopf, mehr aus Hochachtung als aus Verwirrung. Alec glaubte fest, daß Blitz sich irgendwo auf dieser kahlen Insel aufhielt, und die Erfahrung hatte Henry gelehrt, daß sich Alec nur selten irrte, wenn es sich um seine geradezu ans Wunder grenzende Verbundenheit mit Blitz handelte. Wie schon so oft in den Jahren seiner Freundschaft mit dem Jungen hätte er zu gern gewußt, wie diese unerklärliche tiefe Bindung zwischen Alec und diesem sonst so unzähmbaren Hengst entstanden war. Für andere Menschen von gefährlicher Wildheit, war der Rappe Alec gegenüber ruhig und fügsam, ja geradezu sanft. Nun, wie dem auch sein mochte — Hauptsache war, die beiden wurden auch diesmal wieder zusammengeführt...
    Nach langen Minuten des Schweigens fragte Henry: „Siehst du ihn jetzt?“
    Der Junge antwortete nicht, und Henry drängte nicht weiter.
    Aber plötzlich stieß Alec einen Schrei aus, der hell und jubelnd übers Wasser hallte. Henry lief ein Schauer über den Rücken, denn noch nie hatte er von seinem jungen Freund einen solchen Laut gehört.
    Im nächsten Augenblick sah auch Henry durch den Nebel hindurch das große, schwarze Pferd, und er war über sich selbst erstaunt, als sein Freudenschrei beinahe ebenso laut klang wie Alecs Jubelruf.
    Der Schiffer am Steuer gewahrte jetzt gleichfalls die Umrisse des Pferdes, er wurde von der Erregung seiner beiden Passagiere angesteckt. Ohne Aufforderung wendete er sein Schiff und fuhr mit voller Fahrt voraus. Es war nur noch eine Frage weniger Minuten, bis die Nachteule am Landesteg anlegen würde. Und bis Alec sein Pferd wieder hatte...
    Als die Barkasse hielt und festgemacht wurde, ließ der alte Trainer Alec allein seinem Hengst entgegengehen. Alec rannte nicht auf ihn los, auch Blitz stürzte ihm nicht entgegen, vielmehr gingen beide in ruhigem, sicherem Schritt aufeinander zu, so als hätten sie beide von Anfang an gewußt, daß das lebensgefährliche Abenteuer ein so glückliches Ende nehmen würde. Dann standen sie Seite an Seite, Alecs Hände und Augen zeigten seine Gefühle, und Blitz rieb die Nase zärtlich an seiner Brust und legte dem Jungen schwer den Kopf auf die Schulter. Lange standen sie so.
    Endlich sagte Henry mit verhaltener Stimme: „Machen Sie sich bereit, Käpt’n! Sie bekommen gleich einen Riesen von einem Pferd als Passagier Er sprang an Land.
    Der Schiffer nickte. „Wahrhaftig, das ist ein Riese... geradezu ein Walfisch von einem Pferd...“ Auch er ging an Land.
    Henry ging ein paar Schritte näher und stellte fest: „Er hat ein paar Wunden am Genick und am Widerrist, sie stammen offenbar von den Korallenriffen.“
    „Das möchte ich auch glauben“, stimmte der Schiffer zu.
    „Bitte“, sagte Henry, „gehen Sie doch mit mir um ihn herum, und sehen Sie sich sein Fell ganz genau an! Das da und das... Risse und Abschürfungen,
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