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Blitz bricht aus

Blitz bricht aus

Titel: Blitz bricht aus
Autoren: Walter Farley
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springende Punkt ist, daß du vergessen hast, daß er sich nicht schlagen läßt. Du hast noch nie vorher mit ihm Schwierigkeiten gehabt.«
    »Stimmt«, sagte Henry brüsk, »aber was nützt es uns, darüber zu sprechen? Die Frage ist doch, was wir jetzt mit ihm machen?«
    »Gewiß. Aber es gibt nichts, was wir machen können, außer dem, beständig daran zu denken, wo er herstammt und es nie wieder zu vergessen. Ich meine, wir haben das in letzter Zeit beide versäumt.«
    »Er hat sich so gut betragen, daß wir Grund hatten, seine Herkunft zu vergessen«, widersprach Henry. »Es war so leicht und bequem mit ihm umzugehen wie mit einem wohlerzogenen, manierlichen Hengst. Zeitweise war er genauso nett und zugänglich wie Vulkan. Er hatte so brave Stallmanieren angenommen wie ein Kutschpferd.«
    »Gerade das ist es!« antwortete Alec, »er hat sich zu lange beherrscht. Eines Tages mußte ein Ausbruch kommen, und heute war es soweit. Unglücklicherweise hat sich keiner von uns eine Vorstellung davon gemacht, was geschehen könnte. Wir verdienen genausoviel Tadel wie er.«
    Henry sprang von seinem Stuhl auf und ging nervös im Zimmer hin und her. Seine Augen glitten über die Wände, an denen zahllose Siegerurkunden und Plaketten hingen, mit denen Vulkan während seiner Rennlaufbahn ausgezeichnet worden war. »Glaubst du denn, daß er nun für eine Weile ausgetobt hat?« fragte er.
    »Das weiß ich nicht, Henry. Es ist möglich, braucht aber nicht der Fall zu sein. Mit Gewißheit kann das niemand sagen.«
    »Dann müssen wir ihn isolieren, bis wir darüber Klarheit haben«, sagte der Trainer. »Wir müssen ihn auf eine der ganz weit entfernten Weiden bringen oder ihn die meiste Zeit im Stall halten.«
    »Wenn wir ihn isolieren, wird das die Sache nur verschlimmern«, erwiderte Alec ruhig.
    »Das weiß ich, aber wir können es unmöglich darauf ankommen lassen, daß er Vulkan noch einmal attackiert.«
    Alecs Augen wanderten zu dem Fenster in der Ostwand des Raumes hinüber. Es fing an zu dämmern; bald würde der Tag beginnen; es hatte keinen Sinn mehr, ins Bett zu gehen, denn in kurzer Zeit mußten die Stuten, die Fohlen und Jährlinge versorgt und all die unzähligen Handgriffe erledigt werden, die zum Betrieb eines Gestüts gehörten. Alltägliche Verrichtungen, allmählich zur Routine geworden. Regelmäßige Stunden für das Füttern, Pflegen, Putzen und Trainieren. Trotzdem verliefen seine Tage niemals eintönig. Jeder Junghengst, jede junge Stute, jede Zuchtstute und jeder Hengst war ein Individuum mit ausgeprägter Eigenart und mußte in besonderer, gerade auf ihn oder sie zugeschnittenen Weise behandelt werden, um das Beste aus ihnen herauszuholen. Doch obwohl so unendlich vieles den ganzen Tag über zu tun war, mußten genaue Regeln eingehalten werden, um alles zu bewältigen und nicht auch noch die Nachtruhe dranzugeben. Blitz wieherte nebenan im Stall; das brachte Alecs Gedanken zu dem jetzt wichtigsten Problem zurück. Wenn Blitz ein Mensch gewesen wäre, würde man aus seinem Wutausbruch wohl schließen, er habe den Alltagstrott satt, das ruhige, regelmäßige Dasein wäre ihm über... Das trifft den Kern der Dinge, dachte Alec, alles langweilt ihn, er ist der Sache überdrüssig...  Es war schließlich noch gar nicht so lange her, daß er wild, frei und stolz in der arabischen Wüste gelebt hatte, und jetzt wurde er gehalten wie eine brave Farmkuh, die nie etwas andres kennengelernt hatte wie ihren warmen Stall und ihre begrenzte Koppel. War es da ein Wunder, daß er gegen die Langeweile und das Eingepferchtsein revoltiert hatte? War es nicht im Gegenteil staunenswert, daß er sich so lange beherrscht hatte? Blitz brauchte Freiheit, das war es, und die konnten sie ihm hier nicht gewähren, was immer sie auch versuchten.
    »Hör mal, Henry.«
    »Ja, was ist?«
    »Sag mal, was machst du, wenn du gelegentlich das tägliche Einerlei hier auf der Farm leid bist?«
    »Du kannst nicht behaupten, ich hätte die Arbeit hier satt«, erwiderte Henry. »Ich bin sehr gern auf der Farm. Ich brauche nur hin und wieder mal Abwechslung.«
    »Und dann nimmst du dir ein paar unsrer Pferde auf die Bahn und arbeitest dort mit ihnen eine Rennsaison lang.«
    »Natürlich, Alec, das ist ja ein Teil meiner Aufgabe. Schließlich müssen wir Rennen bestreiten, um unsre Rechnungen zu bezahlen, nicht wahr?« Henry lächelte. »Aber worauf willst du eigentlich hinaus?«
    »Der Punkt, den ich dir klarmachen will, ist, daß du ein
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