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Blind vor Wut

Blind vor Wut

Titel: Blind vor Wut
Autoren: J Thompson
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würden.
    Sie senkte die Stimme ein wenig und schaute besorgt. »Dies könnte der Beginn eines wundervollen neuen Lebens für dich sein, Allen. Du wirst es doch versuchen, oder? Du machst doch deiner Mutter keinen Ärger mehr?«
    »Ja und nein«, antwortete ich.
    »Wie bitte?«
    »Ja, ich werde es versuchen. Nein, ich mache meiner Mutter keinen Ärger mehr.«
    »Mal sehen. Ist dein Termin beim Psychiater nächste Woche oder diese?«
    »Nächste. Montagnachmittag.«
    Wieder sah sie mich besorgt an. »Du bist heute Morgen nicht sehr gesprächig, Allen. Macht dir etwas Sorgen?«
    »Ach, ich frage mich nur«, antwortete ich.
    »Was denn?«
    »Warum musstest du einen Schwarzen heiraten …«
    Das fröhliche kleine Lächeln verschwand von ihrem Gesicht. »Ach, Allen «, sagte sie nur.
    »Und wenn es schon sein musste, warum konntest du dir dann nicht einen nehmen, der etwas hellere Haut hatte?«
    Wir gingen am Fluss entlang zur Schule. In der Ferne hinter Hell Gate malte die Morgensonne die Skyline Manhattans in atemberaubenden Pastelltönen.
    »Allen«, sagte sie. »Du hast doch versprochen, mir keinen Ärger mehr zu machen.«
    »Ich mache dir keinen Ärger«, erwiderte ich. »Die Umstände tun das. Und die Umstände kontrollierst du.«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Denk drüber nach«, sagte ich. »Denk dran, ich komme heute und jeden weiteren Abend ein paar Stunden vor dir nach Haus …«
    »Und?«
    »Ist ’ne ziemlich schicke Gegend, in die wir hier gezogen sind. Nur Weiße, obere Mittelschicht. Überall werden Sicherheitsleute sein. Was, glaubst du, wird passieren, wenn ein pechschwarzer Bengel auftaucht und in eine der Wohnungen will?«
    »Du hast ein Recht, hier zu sein, Allen! Genau wie alle anderen!«
    »Aber klar doch«, entgegnete ich.
    Sie seufzte und sah sich nach einem Schlepper um, der den Fluss hinunterfuhr. Ein paar Bootsleute lehnten an der Reling, gafften Mutter an – und fragten sich wahrscheinlich, was sie mit diesem Negerlümmel zu schaffen hatte. Jemand an Bord, vielleicht der Kapitän, ließ die Schiffssirene heulen wie einen Wolf.
    Mutter lachte und winkte. Ich machte eine lange Nase. Wieder seufzte sie und zögerte; dann zog sie mich auf eine der Bänke am Flussufer.
    »Mach dir keine Sorgen, Allen«, sagte sie leise. »Die Hausverwaltung wird alles tun, damit es keine Schwierigkeiten gibt. Ich habe mich ein wenig mit ihnen unterhalten, bevor ich die Wohnung gemietet habe. Ein offenes, klärendes Gespräch. Die Hausverwaltung steht in letzter Zeit unter ziemlichem Druck vonseiten der Wohnungsbaubehörden. Deshalb …«
    »Ich versteh schon«, unterbrach ich sie. »Ich bin Beweisstück A, stimmt’s? Der Beweis, dass sie Schwarze nicht diskriminieren. Vielleicht könnte ich ihnen ja ein paar Piepen dafür abknöpfen, dass ich hier wohne.«
    Sie sah in ihren Schoß hinunter und zerknüllte ihr Taschentuch. »Ich wollte es dir eigentlich gar nicht sagen«, erklärte sie. »Mir fiel keine taktvolle Erklärung ein, irgendetwas, das dich nicht beleidigt hätte, also wollte ich gar nichts sagen. Aber als ich merkte, welche Sorgen du dir machst …«
    »Die Irrungen und Wirrungen der Mutterschaft«, sagte ich. »Es bricht mir das Herz!«
    »Allen«, meinte sie. »Sag mir einfach nur, was ich tun soll. Sag es mir, und ich tu’s!«
    »Nein, tust du nicht«, entgegnete ich.
    »Doch, wirklich! Ich werde alles tun, um dich glücklich zu machen.«
    »Na gut«, sagte ich. »Dann kehr den Geburtsprozess um. Schick mich wieder dorthin zurück, wo ich hergekommen bin.«
    Auf ihrem Gesicht jagte ein Gefühlsausdruck den nächsten. Sie sprang auf und ging weiter am Fluss entlang zur Schule. Ich musste laufen, um sie einzuholen.
    »Hör mal«, sagte ich. »Wozu die ganze Aufregung? Ich habe nichts getan. Ich habe versprochen, dass ich keinen Ärger mache, und den mache ich auch nicht.«
    »So wie heute Morgen, ja? Du bist mal wieder so fröhlich und höflich wie nur was!«
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Entschuldigung. Ich war nur nervös und aufgeregt, und …«
    »Schon gut«, unterbrach sie mich. »Schon gut!«
    Was bedeutete, dass nichts gut war. Und sie anzuflehen hätte auch nichts gebracht. Nichts hätte etwas gebracht – nicht mal, mich anständig zu benehmen, wie sie ständig von mir verlangte. Was immer ich tat oder nicht tat, andauernd kriegte ich dafür einen Tritt in den Hintern. Und das war schon immer so …
    Ich gab ihr natürlich nicht die Schuld dafür.
    Ich an ihrer Stelle hätte es auch
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