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Blind vor Wut

Blind vor Wut

Titel: Blind vor Wut
Autoren: J Thompson
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endlich schaffte, seine Augen von ihr zu nehmen und mich anzulächeln. »Ich bin sehr froh, dass du dich unserer Schule anschließt, Allen.«
    »Danke, Sir«, erwiderte ich.
    »Deine Mutter hat mir eine Abschrift deiner Noten von der Militärakademie gezeigt. Sehr gut, Allen. Sehr, sehr gut.«
    »Danke …«
    »Mr. Velie«, unterbrach ihn Mutter. »Habe ich eigentlich meine Privatnummer auf die Karte geschrieben, die ich Ihnen gegeben habe? Ach da, ich sehe schon. Nun, Sie können mich jederzeit nach sechs Uhr abends anrufen. Und während der Geschäftszeiten erreichen Sie mich natürlich im Büro. Sollte ich beschäftigt sein, hinterlassen Sie einfach Ihre Nummer, und ich rufe umgehend zurück.«
    Velie nickte und lächelte. »Danke, Mrs. Smith. Ich werde …« Er unterbrach sich und fuhr sich zögernd mit der Zunge über die Lippen. »Sie anrufen?«, fragte er.
    »Ja. Wegen Allen. Nur für den Fall, dass sie ein Problem mit ihm haben.«
    »Problem? Ich verstehe nicht ganz, ähm …«
    »Allen stiehlt manchmal«, erklärte Mutter. »Er lügt außerdem; er ist ein überaus einfallsreicher und überzeugender Lügner. Und wenn er wütend ist, kann er sehr ausfallend werden. Nicht nur das, sondern …«
    Sie führte den Teil mit dem »Nicht nur das« nicht weiter aus. Das konnte sie nicht. Es hatte nie einen Beweis dafür gegeben. Nur Indizien, und die hatten nicht gereicht, damit die Polizei hätte einschreiten können.
    Velie hatte sich umgedreht und sah zum Fenster hinaus. Wahrscheinlich schaute er gerade zu, wie der Hintern seiner Träume vor seinen Augen davonflatterte.
    »Mrs. Smith«, murmelte er. »Wir sind hier wirklich nicht darauf eingerichtet, uns mit Problemfällen auseinanderzusetzen.«
    »Allen ist in der letzten Klasse, Mr. Velie. Und da er in nicht mal einem Jahr seinen Abschluss machen wird – in etwa sieben Monaten, um genau zu sein …«
    »Ich weiß. Aber ich finde nicht …«
    »Ich bin mir sicher, Sie haben auch noch andere Schüler, die stehlen, Mr. Velie. Andere, die lügen und ab und zu unflätige Wörter in den Mund nehmen. Ich glaube, dass Eltern am besten mit der Schule kooperieren, wenn sie ihrem Kind vollkommen objektiv gegenüberstehen, deshalb habe ich Ihnen ja alles gesagt. Ich kann nicht glauben, dass sie mich oder meinen Sohn dafür bestrafen wollen, dass ich Ihnen die Wahrheit über ihn gesagt habe, statt sie Ihnen zu verheimlichen.«
    Das konnte Velie selbst nicht glauben. Man durfte doch sicherlich die Ehrlichkeit nicht bestrafen und die Verschlagenheit auch noch belohnen. Wo kämen wir da denn hin, nicht wahr?
    Und dann war da noch dieser saftige Hintern, der sich mitten im Flug umdrehte und wieder zum Fenster zurückgeflattert kam.
    »Nun, da ist viel Wahres an dem, was Sie sagen, Mrs. Smith«, meinte Velie wissend, womit er zum Ausdruck brachte, dass da ziemlich viel in der handbestickten Bluse von I. Magnin steckte. »Ich bin allerdings noch nicht ganz sicher, ob es nicht doch besser wäre, wenn Allen auf eine Privatschule ginge, aber …«
    »Einige sehr gute Psychiater sehen das anders«, widersprach Mutter. »Allen wird sein eigenes Leben führen müssen, das Leben eines Schwarzen in einer weißen Gesellschaft, in einer Umgebung ohne Schutz. In der Gesellschaft an sich, meine ich, nicht in einem geschützten Teil davon. Die Psychiater sind der Ansicht, dass seine Anpassung am besten gelingen wird, je früher er mit dieser Gesellschaft ins Reine kommt.«
    Velie nickte, wirkte aber leicht bedrückt. Es ist grausam, einem Mann gegenüber von Psychiatrie zu sprechen, der gerade von einem Hintern träumt.
    »Aber Mr. Velie!« Mutter warf ihm einen aufreizenden Blick zu. »Sie sind doch sicher nicht einer von denen, oder?«
    »Ähm – von welchen, Mrs. Smith?«
    »Sie wissen schon. Einer von denen, die schon bei der Erwähnung des Wortes Psychiatrie blass werden!« Sie lachte heiter. »Das kann ich nicht glauben. Sie doch nicht. Nicht der Direktor einer großen Highschool!«
    Tja …
    Velie erklärte, das sei ganz und gar nicht der Fall. Weit gefehlt, usw. Tatsächlich glaube er sehr fest an die Psychiatrie, usw. Er nahm einen Stundenplan aus seiner Schreibtischschublade, schrieb meinen Namen und weitere Hintergrundinformationen darauf, dazu Mutters Name, Beruf und so fort. Dann vertiefte er sich in ein Themen- und Klassenbuch und listete Zeit und Art meiner Fächer auf.
    »Also«, sagte er und sah auf seine Uhr. »Die erste Stunde ist in etwa fünf Minuten zu Ende. Wenn du
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