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Blind vor Wut

Blind vor Wut

Titel: Blind vor Wut
Autoren: J Thompson
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tut dir leid. Aber das war doch nicht die Schuld des Kindes! Das Kind kann man doch nicht für das bestrafen, was du getan hast! Das …
    Den Teufel kann er. Der Herr gibt, und der Herr nimmt, und unter Mussolini waren die Züge pünktlich.
    Die Haustiere des Jungen waren noch in dem Zimmer, ein Kanarienvogel und ein Glas mit Goldfischen. Während das Pferd sich breitbeinig hinstellte und auf den Boden pisste, öffnete ich das Bündel und machte mich an die Arbeit.
    Ich ließ den Kanarienvogel zum Fenster hinausfliegen und legte eine große, ausgestopfte Eule – gelb eingefärbt – in den Käfig. Die Goldfische tat ich in ein Glas mit Wasser (später setzte ich sie in einem Springbrunnen im Park aus), öffnete ein großes Glas eingelegter Heringe und schüttete sie in das Goldfischglas.
    Das leere Glas stellte ich auf das Bett des Jungen und legte einen Brief hinein, den ich auf der Schreibmaschine schrieb. Der Brief (die Unterschrift setzte ich getippt darunter) lautete wie folgt:
    Liebe Mama, lieber Papa,
    ich fühl mich höllisch einsam hier unten in der Hölle. Warum bringt Ihr beiden Euch nicht um, damit ich Gesellschaft habe?
    Ich las den Brief – sah die gelbe Eule und das Glas mit den Heringen – und hätte es beinahe dabei bewenden lassen. Am liebsten wäre mir gewesen, ich hätte das mit dem Pferd nicht gemacht. Doch da war es nun, und hier war ich, also zog ich meinen Plan bis zum Ende durch.
    Ich führte das Pferd ins Bad. Stellte es längs der Badewanne in der richtigen Position auf. Als es den Kopf vor Altersmüdigkeit senkte und die Beine unter ihm nachzugeben drohten, warf ich mich mit der Schulter dagegen.
    Es klappte tadellos.
    Das Pferd stolperte und fiel seitwärts. Es landete auf dem Rücken in der Wanne und streckte die Läufe in die Höhe. Einen Augenblick lang strampelte es erschrocken mit den Beinen. Als es feststellte, dass es unverletzt war und sich endlich ausruhen konnte, gab es einen zufriedenen Seufzer von sich und rührte sich nicht länger.
    Es schauderte kurz, als ich ihm mit einem Küchenmesser die Kehle durchschnitt. Großen Protest äußerte es keinen. Tatsächlich bin ich mir sicher, dass es mir dankbar zuzwinkerte, bevor es für immer seine großen braunen Augen schloss.
    Es gab vieles, wofür das Pferd dankbar sein konnte, so viel mehr als nur den Frieden und die Ruhe, nach denen es sich so lange gesehnt hatte. Der Tod entledigte es nicht nur aller Sorgen, er schickte es, wenn auch nur für kurze Zeit, in die lang vergangene Jugend zurück. Im Tod genoss es eine längst vergessene Erfahrung – das Zurückstreichen der Vorhaut durch eine feste Erektion.
    Ich hoffte, es gab einen Himmel. Nicht für Menschen, um Himmels willen – welches Recht auf einen Himmel hatten die Menschen? –, sondern für Tiere wie dieses, dessen einziges Verbrechen darin bestand, den Menschen zu lieben, ihn zu ehren und ihm zu gehorchen, statt ihm die Scheiße aus dem Leib zu treten.
    »Ach ja?«
    Ja, wahrhaftig, ich hoffte, es gab einen Himmel und dass das Pferd dort war und gerade eine entzückende Stute bestieg.
    Ich bin mir da ziemlich sicher.
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